RI I Karolinger 715-918 (926/962) - RI I,4,2
Sie sehen den Datensatz 669 von insgesamt 1059.
Gemäß Mahnung von Papst Nikolaus (I.) (per ammonitionem reverendi papae Nicolai, MG Conc. IV 165) (vgl. n. 654) erscheint König Karl (der Kahle) zur Synode in Verberie, die dem päpstlichen Auftrag und den Kanones entsprechend (... iuxta eiusdem apostolici mandationem et sacrorum canonum institutionem ..., MG Conc. IV 166) zur Beilegung des Streites um das Kloster Saint-Calais drei Richter, Erzbischof Herard von Tours, Bischof Dodo von Angers und Bischof Actard von Nantes, bestellt; entsprechend päpstlicher Weisung (sicut domnus papa ei mandaverat, Ann. Bertiniani a. 863 [Grat 103]) (n. 608) entsendet Karl den abgesetzten Bischof Rothad (von Soissons) mit seinen eigenen, mit Synodalbriefen sowie mit Stellvertretern nach Rom (vgl. n. 668), schließlich nimmt er auf päpstliche Bitte (per deprecationem domni apostolici, Ann. Bertiniani a. 863 [Grat 103f.]) seine Tochter Judith wieder in Frieden auf.
- Empfänger:
- König Karl (der Kahle)
Überlieferung/Literatur
Erw.: Synodalakten von Verberie von 863 Okt. 29 = Urk. Karls des Kahlen von Okt. 29 (MG Conc. IV 165-168, 165 = Lot-Brunel-Tessier, Recueil II n. 258); n. 691; Ann. Bertiniani a. 863 (Grat 103f.); Exemplar Notitiae (Bouquet, Recueil VII 297).
Reg.: Georgisch, Reg. I 128; Böhmer p. 158; Lot-Brunel-Tessier, Recueil II n. 257.
Lit.: Schrörs, Hinkmar 253; Havet, Chartes Saint-Calais 111 und 113; Dümmler, Ostfränk. Reich II 92; Werminghoff, Synoden 633f.; Hefele-Leclercq, Hist. IV,1 349f.; Lesne, Nicolas Ier et les libertés 286; Perels, Nikolaus 107; Goffart, Le Mans Forgeries 78-81; Hartmann, Fälschungsverdacht 116f.; Hartmann, Synoden 315f.; Weidemann, Bischofsherrschaft und Königtum 189; Schieffer, Beziehungen karolingischer Synoden 160.
Kommentar
Die Synodalurkunde, die ausführlicher über die Zusammenkunft berichtet, verzeichnet nur den Verhandlungspunkt zum Streit um das Kloster Saint-Calais, unterstreicht hier neben den päpstlichen Aufträgen auch die Verlesung von fünf Papstbriefen (wohl n. 654, n. 655, n. 656, n. 658 und n. 659), welche die päpstliche Aufforderung zur Beilegung des Streites zwischen Le Mans und Saint-Calais enthielten. Daraufhin werden die Verhandlung und der letztliche Sieg Karls des Kahlen, der den königlichen Schutz für Saint-Calais hervorhob, skizziert. Nach der Verlesung der fünf Papstbriefe (angeblich waren drei zunächst verborgen worden) folgte die Beauftragung der drei Richter, eine Befragung der herbeigerufenen Mönche und eine Gehorsamserklärung des Abtes, ein Vorzeigen der königlichen Privilegien sowie die Anweisung zur Vernichtung falscher Rechtstitel. Eine nur kurze Notiz hierzu bietet das Exemplar Notitiae. Die Ann. Bertiniani verzeichnen in diesem Konflikt zwischen Karl dem Kahlen und Bischof Rotbert von Le Mans, der den rechtmäßigen Besitz von Saint-Calais auf päpstliches Urteil zurückführte (vgl. n. 659), ebenso wie die angegebene Urkunde Karls den Sieg des westfränkischen Königs; die späteren Actus pont. Cenomannis XXIV (Busson/Ledru 337f.) suggerieren dagegen einen Sieg des Bischofs Rotbert von Le Mans mit Unterstützung des Papstes. Nur in den Ann. Bertiniani wird neben der Entsendung Rothads nach Rom außerdem der Affäre um Judith gedacht, die vielleicht auf einer gleichzeitigen Versammlung weltlicher Großer (vgl. MG Conc. IV 164) beschlossen wurde. Anschließend berichtet diese Quelle noch über den Empfang eines Gesandten des Sarazenenkönigs Mohammed sowie über die Hochzeit Balduins mit Judith in Auxerre, vgl. zum Hintergrund Sproemberg 97f. Möglicherweise bewirkte die Untersuchung des Streites von Saint-Calais auf der Synode, daß dem Papst anschließend ein ganzes Dossier übersandt wurde; ob es in die Hände des Papstes gelangte, ist ungewiß, vgl. Lesne 286-289. Die in den Ann. Bertiniani erwähnten Briefe, die von Karl und den Bischöfen zusammen mit Rothad noch Rom geschickt wurden, sind nicht überliefert; vgl. n. 668. Bis auf das nicht sicher datierbare und in seiner Echtheit umstrittene Papstschreiben n. †(?) 682, das Odo von Beauvais als Boten erwähnt, ist über eine spätere päpstliche Reaktion im Streit um Saint-Calais nichts bekannt. Zur Vorgeschichte vgl. die zugehörigen Papstbriefe (n. 654, n. 655, n. 656, n. 657, n. 658, n. 659) sowie zur Entwicklung des Verhältnisses von Saint-Calais und Le Mans seit der Merowingerzeit Weidemann, Bischofsherrschaft und Königtum. Über die Schwierigkeiten der Romreise Rothads, der schließlich erst im Juni 864 in Rom eintraf (vgl. n. 712), berichten vor allem die Ann. Bertiniani. Zu den in Verberie anwesenden Bischöfen vgl. die Liste am Ende der Synodalurkunde (MG Conc. IV 167f.).
Nachträge
Empfohlene Zitierweise
RI I,4,2 n. 669, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/f616b47a-e427-4b04-ae16-c4c6b0dddf59
(Abgerufen am 17.04.2024).