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RI I Karolinger 715-918 (926/962) - RI I,4,3

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Die päpstlichen Legaten (cum legatis apostolicae sedis) Bischof Johannes von Tuscania (Iohannes Tuscanensis episcopus) und (Bischof) Johannes von Arezzo (Iohannes Aritinus) nehmen an einer auch von Kaiser Karl (dem Kahlen) besuchten Synode in Ponthion teil: Am (ersten Sitzungstag) 21. Juni (undecimo kalendas iulii) liest Johannes von Tuscania mehrere Papstschreiben (an die Bischöfe und Grafen des Westfrankenreichs) (n. 166 und n. 167) vor, darunter auch der Brief zum Vikariat Ansegis' von Sens (de primatu Ansegisi) (n. 157), dem Erzbischof (Hinkmar) von Reims widerspricht; am (zweiten Sitzungstag) 22. Juni (decima kalendas praefati mensis) werden die an die Laien gerichteten Papstbriefe verlesen (n. 168) und die Wahl Karls durch die italischen Großen sowie die Beschlüsse der Reichsversammlung in Pavia (von Februar 876) (electio domni imperatoris ... et capitula quae in palatio Ticinensi constituit ... quae et episcopis Cisalpinis praecepit confirmari) (vgl. Böhmer-Zielinski n. 497) von den Synodalen bestätigt, die einen Treueeid auf den Kaiser ablegen (MG Conc. V 41-50); am (dritten Sitzungstag) 3. Juli (quinta nonas iulii) werden durch die Legaten Beschwerden von Priestern aus verschiedenen Sprengeln verhandelt (... habitae sunt contentiones de presbiteris ex diversis parochiis reclamantibus ad missos apostolici) (vgl. MG Conc. V 51); am (vierten Sitzungstag) 4. Juli (IIII nonas eiusdem mensis) verliest Johannes von Tuscania das Schreiben des Papstes an die Bischöfe des Ostfrankenreichs (episcopis regni Hludouuici) (n. 164) und händigt es Erzbischof Willibert von Köln (Vuilleberto archiepiscopo) zur Übergabe aus (GP VII/1 35 n. *68); am (fünften Sitzungstag) 10. Juli (VI idus iulii) treffen die Legaten Leo (von Gabii) und Petrus von Fossombrone (missi domni apostolici Leo episcopus et apocrisiarius ... atque Petrus Foro Simpronii episcopus) (n. 179) ein und überbringen Briefe des Papstes an Kaiser Karl und seine Frau (Richilde) (n. 177); am (sechsten Sitzungstag) 11. Juli (V idus iulii) wird die päpstliche Mitteilung über die Exkommunikation des Formosus, des nomenculator Gregor und deren Anhänger (des Vestararius Georg vom Aventin, des secundicerius Stephanus, des magister militum Sergius und Constantinas) (... de dampnatione Formosi episcopi, Gregorii nomencolatoris et consentientium eis ...) (n. 178) verlesen und die vom Papst übersandten Geschenke an den Kaiser und seine Frau übergeben; am (siebenten Sitzungstag) 14. Juli (pridie idus iulii) verliest Johannes von Tuscania erneut den Brief des Papstes über den Vikariat Ansegis' von Sens (... iterum epistola ... pro primatu Ansigisi ...) (n. 157), es werden wiederum die Beschwerden der Priester verhandelt, die Translation Frothars von Bordeaux auf den Erzbischofsstuhl von Bourges wird abgelehnt (... cuius petitionibus unanimitas episcoporum non adquieuit); am (letzten Sitzungstag) 16. Juli (XVII kalendas augusti) werden verschiedene von den päpstlichen Legaten mitverfaßte Schriftstücke (MG Conc. V 51-54) vorgelesen und der Vikariat Ansegis' von Sens wird zum dritten Mal verhandelt (... interrogatio de primatu Ansegisi ...); Hinkmar von Reims legt während der Synode einen libellus proclamationis über den Einfalls Ludwigs (des Deutschen) und Ludwigs (des Jüngeren) (Hludowico rege itemque Hludowico filio eius) ins Gebiet der Reimser Kirche vor (MG Conc. V 51).

Überlieferung/Literatur

Druck: Synodalakten (MG Conc. V 41-57).

Erw.: n. 194; Ann. Bertiniani a. 876 (Grat 201-206); Chr. de France/Saint-Denis (Bouquet-Delisle, Recueil VII 142-144).

Reg.: Werminghoff, Synoden 648-650.

Lit.: Noorden, Hinkmar 315-324; Schrörs, Hinkmar 360-365; Dümmler, Ostfränk. Reich II2 407-411; Hefele-Leclercq, Hist. IV,2 651-658, 1349-1351 und 1399-1402; Engelmann, Legaten 81f.; Schieffer, Päpstliche Legaten 17-23; Arnaldi, Papato 41f.; Arnaldi, Papato 40-42; Riesenberger, Prosopographie der päpstlichen Legaten 231, 261; Lohrmann, Register Johannes 243; Zimmermann, Papstabsetzungen 50f.; Devisse, Hincmar 664f. und 810-813; Boshof, Odo 56-58; Hartmann, Synoden 333-336; Scholz, Transmigration 149-151; Schieffer, Beziehungen karolingischer Synoden 154f.; Arnold, Johannes 82, 90f., 147f.; Scholz, Politik 227, 237f.; Pangerl, Metropolitanverfassung 92.

Kommentar

Der Verlauf der Synode ist detailliert von Hinkmar von Reims in den Ann. Bertiniani dargestellt (ebenso wie in den davon abhängigen Chr. de France). Zudem sind einige Schriftstücke überliefert, die auch eine je nach Überlieferung etwas abweichende Unterschriftenliste enthalten (MG Conc. V 46-50). Dort sind neben den päpstlichen Legaten sieben Erzbischöfe und 41 Bischöfe sowie fünf Äbte verzeichnet, die aus nahezu allen Provinzen des Westfrankenreichs kamen, vor allem Aquitanien und die Provence waren außergwöhnlich zahlreich vertreten, vgl. Hartmann 335f. Mit diesen Unterschriften bestätigten die Synodalteilnehmer die Kapitula der Reichsversammlung von Pavia, welche auch innerhalb der Schriften zur Synode von Ponthion überliefert sind (MG Conc. V 41-46), und die Wahl Karls durch die italischen Großen im Frühjahr 876 (vgl. Böhmer-Zielinski n. 496f.). Auf die Unterschriftenliste folgt in den Akten die von Hinkmar eingereichte Beschwerdeschrift (MG Conc. V 51), die der Reimser Erzbischof in den Ann. Bertiniani nicht nennt und von der daher unklar ist, wann sie vorgelegt wurde. Vermutlich geschah dies am vierten Sitzungstag der Synode, an dem auch Vertreter des Ostfrankenreichs anwesend waren, vgl. Schrörs 364. Nach dem Entscheid zu einem der erwähnten Priester (MG Conc. V 51) ist schließlich noch ein Bischof Odo von Beauvais zugeschriebenes Schriftstück erhalten (MG Conc. V 52-54), dessen Abfassung Hinkmar in den Ann. Bertiniani (Grat 205) mißbilligend auch Ansegis von Sens und den päpstlichen Legaten zuschreibt und das am letzten Tag der Synode vorgelegt worden sein soll; tatsächlich stellt die Schrift eine Zusammenfassung der Synodalbeschlüsse dar. Bemerkenswert ist, daß daraus im Gegensatz zu den Ann. Bertiniani eine eindeutige Zustimmung der Synodalteilnehmer zum Vikariat Ansegis' von Sens hervorgeht, der hier – wie auch in den Ann. Bertiniani – zudem als Primat bezeichnet wurde, was auf eine Ausweitung der vom Papst zugewiesenen Rechte deuten könnte, vgl. hierzu auch n. 143. Dieser Widerspruch zwischen überlieferten Synodalakten und Ann. Bertiniani zeigt deutlich, daß Hinkmars ausführlichem Bericht mit Vorsicht zu begegnen ist (vgl. auch Hartmann 333 und 335), da er besonders bezüglich der Vikariatsentscheidung seine eigene Abneigung zur Gegnerschaft der Synode stilisierte und lediglich Frothar von Bordeaux/Bourges, den angeblichen Günstling Karls des Kahlen, als Befürworter des Vikariats darstellte. Vgl. zu Hinkmars Mißbilligung gegenüber dem päpstlichen Vikariat für Ansegis von Sens Schrörs 365-372. Wohl ebenfalls im Rahmen der Zusammenkunft wurde eine Urkunde der Synodalen für das Kloster Charlieu ausgestellt, vgl. MG Conc. V 54-57 sowie eine spätere PUU für das Kloster (n. 400). Den in MG Conc. V 51f. unter G. edierten Consensus Leonis episcopi missi et apocrisiarii, cum post synodum discessurus esset überreichte Leo von Gabii wohl unmittelbar vor seiner Abreise; möglicherweise ist der Text mit der in den Ann. Bertiniani a. 876 (Grat 205) im Anschluß an die laudes gegenüber Karl und der gekrönten Richilde genannten oratione a Leone Gavinense zu identifizieren. Zur päpstlichen Haltung bezüglich der auf der Synode behandelten Translation Frothars vgl. n. 198, n. 199, n. 203, n. 204 und n. 407. Laut Scholz hat Karl der Kahle schon vor der Synode von Ponthion unmittelbar nach dem Tod Wulfads von Bourges im Frühjahr 876 bei Johannes VIII. die Translation Frothars von Bordeaux auf den Erzstuhl von Bourges erbeten (vgl. die Entschuldigung des Papstes gegenüber Karl dem Kahlen für die Verspätung seines Urteils bezüglich Frothar in n. 203). Der Papst habe jedoch zunächst gezögert und schließlich seine Legaten Leo von Gabii und Petrus von Fossombrone mit der Untersuchung des Falls beauftragt. Wie aus n. 198 und n. 203 hervorgeht, stimmte der Papst der Translation dann aufgrund der Berichte seiner Legaten und des Zeugnisses der Provinzialbischöfe zu (vgl. aber n. 407, wo Johannes VIII. wohl aufgrund des Einspruchs mehrerer westfränkischer Erzbischöfe von Frothar verlangte, bezüglich der Translation die Kanones zu achten und dem Papst die Genehmigung der Translation vorzulegen). Hervorzuheben ist allerdings, daß alle sieben Suffragane der Metropole Bourges in der oben genannten Unterschriftenliste (MG Conc. V 41-46) erscheinen, also auf der Synode von Ponthion anwesend waren und demnach laut Hinkmar von Reims in den Ann. Bertiniani (Grat 204) dort gegen die Translation Frothars gestimmt hätten. Vgl. zu den weiteren auf der Synode vorgelegten oder verlesenen Schreiben die entsprechenden Regestennummern. Zu den genannten päpstlichen Legaten vgl. n. 169 und n. 179; Petrus von Fossombrone und Leo von Gabii kehrten nach der Synode zusammen mit Ansegis von Sens und Adalgar von Autun nach Rom zurück, wohingegen Johannes von Tuscania und Johannes von Arezzo Karl den Kahlen auf seinem Raubzug ins Ostfrankenreich begleiteten, vgl. Ann. Bertiniani a. 876 (Grat 206f.).

Nachträge

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Empfohlene Zitierweise

RI I,4,3 n. 182, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/f16a6c08-07a7-45f3-b737-63046f584797
(Abgerufen am 28.03.2024).