Regestendatenbank - 201.916 Regesten im Volltext

RI I Karolinger 715-918 (926/962) - RI I,4,3

Sie sehen den Datensatz 98 von insgesamt 727.

Papst Johannes (VIII.) teilt Graf Boso ([Boso]ni comiti) mit, Bischof Audgarius habe ihn aufgesucht und sei für unschuldig befunden worden, da seine Ankläger entgegen den Kanones nicht anwesend waren und diese ohnehin – da unfrei und verrufen – nicht als Ankläger hätten auftreten können; er weist darauf hin, er könne ohne Anhörung beider Parteien keine Entscheidung treffen, verurteilt die Übergriffe auf die Person des Audgarius sowie auf die Kirchengüter, betont, solche Handlungen seien erst nach Erscheinen des Angeklagten und der Ankläger vor ihm oder vor päpstlichen Legaten und einem entsprechenden Urteilsspruch zulässig, befiehlt (iubemus), den Bischof ohne Behinderungen sein Amt ausüben zu lassen, und ordnet an (iubemus), Audgarius das zurückzugeben, was Graf Aribert dessen Kirche geschenkt habe, auf daß es nicht scheine, Boso wolle aus Neid und Geiz die Unschuld eines Bischofs beflecken.

Incipit:
Audgarius venerabilis episcopus olim apud ...

Überlieferung/Literatur

Orig.: –.

Kop.: –.

Insert: Coll. Brit. (Ende 11./Anf. 12. Jh., London, Brit. Lib.: Ms. add. 8873 fol. 131v-132r).

Drucke: Loewenfeld, Epist. pont. Rom. ineditae 31 n. 55; MG Epist. VII 298f. n. 43.

Reg.: Ewald, Brit. Sammlung 311 n. 40; JE 3002.

Lit.: Dümmler, Ostfränk. Reich III2 78 Anm. 1; Poupardin, Provence 68 Anm. 3; Seemann, Boso 29 Anm. 72; Bougard, Divorce 36.

Kommentar

Der Brief ist lediglich in der erwähnten Kirchenrechtsammlung überliefert. Zur Coll. Brit. und ihrer Entstehungszeit vgl. Herbers, Leo 63-72, Kéry, Canonical collections 237f., Jasper, Beginning 128 und Fowler-Magerl, Clavis Canonum 184-187. Die Identität des Adressaten ist umstritten: Dümmler, Caspar (MG Epist. VII 299 Anm. 1) und zuletzt Bougard haben ihn als Boso von Vienne identifiziert, während Poupardin und Seemann dies aufgrund der von Ewald vorgeschlagenen Datierung (874-875 Februar) ablehnen, da Boso von Vienne zu dieser Zeit keine Kompetenzen in der Erzdiözese von Embrun, der der Bischof Audgarius aufgrund von n. 99 wohl zuzuordnen ist, besessen habe. Wie Schilling in Gall. Pont. III/1 362 n. 17 (Kommentar) sehen sie in dem hier genannten Boso den italischen Grafen, Mann Ingiltruds (vgl. n. 127, n. 128, n. 412 und n. 413) und Getreuen Kaiser Ludwigs II. Da die Datierungsvorschläge Ewalds allerdings grundsätzlich in Frage gestellt werden müssen (vgl. n. 13), bleibt eine allein darauf begründete Identifizierung Bosos problematisch. Weitere Informationen über die übrigen genannten Personen fehlen; Graf Aribert ist nicht zu identifizieren. Ebensowenig bekannt ist der Bischofssitz des Audgarius, der offensichtlich ein Suffragan von Erzbischof Veremundus von Embrun war, wie aus dem in diesem Zusammenhang ergangenen Schreiben an Veremundus hervorgeht, vgl. n. 99. Eine Entscheidung zugunsten des italischen Grafen Boso oder Bosos von Vienne erscheint demnach nicht möglich, was sich auch auf die Datierung der beiden Stücke in der Angelegenheit des Bischofs Audgarius auswirkt. Diese ist nur ungefähr auf die Jahre 874 (ein gewisser Vorlauf für das in n. 99 erwähnte Schreiben des Veremundus und die Romreise des Audgarius ist einzuberechnen) bis 878 (Tod des Erzbischofs Veremundus) einzugrenzen, wobei der italische Graf eher 874–875, Boso von Vienne eher 876–878 als Adressat gelten würde.

Nachträge

Nachtrag einreichen
Einreichen
Empfohlene Zitierweise

RI I,4,3 n. 98, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/c9471ca8-4ba7-45e5-9f6b-00c2c32a9727
(Abgerufen am 28.03.2024).