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RI I Karolinger 715-918 (926/962) - RI I,4,2

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Papst Nikolaus (I.) teilt allen Gläubigen (omnibus fidelibus) die von Bischof Salomon (I.) von Konstanz erhaltenen Nachrichten über Ansgar und das (Erz)bistum Hamburg (n. 698) mit, insbesondere den Verlust des Klosters Torhout (turholz) an Karl den Kahlen (Böhmer-Fees n. 288; vgl. n. 706), informiert ferner über die Zerstörung Hamburgs (metropolis hammaburg) durch Piraten, die Flucht Ansgars und seiner Kleriker und berichtet, daß eine von König Ludwig (dem Deutschen) vorgeschlagene Umwandlung des an Erzbischof Ansgar von einer Frau Ikia (matrona... ikia) geschenkten Gütchens im Walde Ramelsloh (in silua romesloa ... in pago berdangoa, in episcopatu uualdgarii, ferdensis aecclesiae episcopi) von einer Zelle in ein Kloster als Zuflucht für den flüchtigen Hamburger Klerus bis zur Wiederherstellung der Hamburger Kirche jedoch vom zuständigen Diözesanbischof Waldgar von Verden (uualdgario, ferdensis aecclesiae episcopo) erst nach einer Zusammenkunft in Worms (in uuormatia ciuitate) auf Bitten der dort anwesenden Könige Ludwigs (des Deutschen) und Lothars (II.) sowie der Erzbischöfe Ebo von Reims, Hetti von Trier und Otgar von Mainz (regibus hluduuuico et hlothario, ... archiepiscopis ebone remensi, hetti treuerensi et otgario mogontiocensi cum plurimis aliis) nur im Falle einer päpstlichen Zustimmung gebilligt worden sei; deshalb verfügt (decernimus) Nikolaus (I.) gemäß dieser von Salomon vorgetragenen Bitte und dem Votum der oben Genannten die Unterstellung des Klosters Ramelsloh für immer unter das Hamburger Erzbistum zur Ausübung der Missionsaufgaben, verbietet Übergriffe des Verdener Bischofs sowie anderer Bischöfe und bestätigt alle von König Ludwig getroffenen Bestimmungen zur (hamburgischen) Legation.

Originaldatierung:
Scriptum per manum Leonis, notarii regionarii et scriniarii sanctae romanae aecclesiae, in mense maio, indictione duodecima. Datum kl. iunias per manum Tiberii, primicerii sanctae sedis apostolicae, imperante domno piissimo papa anno pontificatus eius quinto decimo, indictione duodecima.
Incipit:
Quisquis dominum et redemptorem nostrum...
Empfänger:
Gläubige

Überlieferung/Literatur

Scheinorig.: Hannover HStArch.: Ramelsloh n. 2 (= Celle Or. 100 Ramelsloh n. 2) (verbrannt).

Kop.: –. Faks. (Photo): Marburg Lichtbildarchiv älterer Originalurkunden auf deutschem Boden: n. 10552.

Drucke: Lindenbrog, Scriptores I 146; Staphorst, Hist. eccl. Hamburgensis I, 1 54; Cocquelines-Mainardi, Bull. Rom. I 193; Lappenberg, Hamburg. UB I 25 n. 16; Klempin, Pommer. UB I 3 n. 6 (fragm.); Tomassetti, Bull. Rom. I 308; Curschmann, Ältere Papsturkunden Hamburg 24 n. 5; Peitz, Hamburger Fälschungen 246 n. 5; Conrad, Pommer. UB I 7 n. 6 (fragm.); Brosius, UB des Stifts Ramelsloh 18 n. 2.

Reg.: Finke, Index dipl. 18; Celse, Apparatus 13; Hempel, Inventarium 6; J 2086; JE †2760; Hasse, Schleswig-Holstein-Lauenburgische Reg. 4 n. 9; May, Reg. Bremen 14 n. 43; Diplomatarium Danicum I, 1 51 n. 120; GP VI 33 n. †23; GP V/1 206 n. †4 und 245 n. †1.

Lit.: Koppmann, Urkunden Hamburg-Bremen 519-521; Pflugk-Harttung, Bullen Hamburg-Bremen 200; Curschmann, Ältere Papsturkunden Hamburg 87-100; Tangl, Besprechung Curschmann 628; Peitz, Hamburger Fälschungen 112-143; Levison, Rimberts Vita Anskarii (Nachdruck) 606; Brackmann, Forschungen 70-74; Seegrün, Erzbistum Hamburg-Fiktion 6; Drögereit, Erzbistum Hamburg 190-195; Göbell, Christianisierung 77; Schieffer, Adnotationes 517f.; Patzold, Episcopus 372.

Kommentar

Das (1943 in Hannover verbrannte) Scheinoriginal (Breite 0,45, Länge 0,467 lt. Pflugk-Harttung) war auf Pergament in einer antikisierenden Buchschrift des 11. Jahrhunderts beschrieben und wies ein an Seidenschnur (?) hängendes Bleisiegel auf, das auf der Aversseite mit einem Stern und der Umschrift +NICOLAI, auf der Reversseite mit +PAPAE um fünf Knötchen herum versehen war, vgl. Pflugk-Harttung, Bullen Hamburg-Bremen 200, Pflugk-Harttung, Originalurkunden 561 n. 794 und dessen Siegelabbildung in Ders., Specimina III, Tafel 139 n. 1. Weitere Pausen aus dem verbrannten Scheinoriginal finden sich in der Arbeitsstelle der Pius-Stiftung für Papsturkundenforschung (Göttingen). Zwei 1842 in Hamburg verbrannte Überlieferungen sind durch die Drucke von Lindenbrog und Staphorst erschließbar, ein weiteres Kopiar ist 1943 in Hannover verbrannt. Die Urkunde gilt seit Koppmann als Fälschung, die um das Jahr 1000 entstanden ist und die sich aus Elementen von n. 706, Rimberts Vita Anskarii 16, 17 und 23 (MG SS rer. G. [55] 37f. und 48-51) in der älteren Fassung und einer Urkunde Ludwigs des Frommen von 834 Mai 15 (Böhmer-Mühlbacher2 n. 928, Reincke, Domarchiv 63-74) zusammensetzt, wie Curschmann 87-100 überzeugend unter Zustimmung von Tangl nachgewiesen hat. Seine Beobachtungen bleiben trotz der Rettungsversuche von Peitz 112-143 und 138 gültig, vgl. Brackmann 70-74 und Drögereit, Erzbistum Hamburg 160 sowie die weiterführenden Beobachtungen von Schieffer. Auch die Sedenzzeiten der im Text genannten Bischöfe liegen vor allem in den 840er Jahren. Zum Verlust Torhouts vgl. zuletzt Röckelein, Pervenimus 154 und Böhmer-Fees n. 388. Zur Zerstörung Hamburgs 845 vgl. Dehio, Geschichte 70, Seegrün, Papsttum 34 und Drögereit 178-181. Das Kloster Ramelsloh muß zwischen 865-888 und 937 in Hamburger Besitz gelangt sein, vgl. Curschmann 100; ab diesem Zeitpunkt ist es Hamburg mehrfach bestätigt worden: Urkunde Ottos I. (MG DD O I n. 11; Böhmer-Ottenthal n. 67), Urkunde Ottos II. (MG DD O II n. 16; Böhmer-Mikoletzky n. 592), Urkunden Ottos III. (MG DD O III n. 40 und 407; Böhmer-Uhlirz 999 und 1421). 1011 wurde aufgrund der Nikolausurkunde im Streit zwischen Hamburg und Verden von Sergius IV. für Hamburg entschieden, vgl. Böhmer-Zimmermann n. 1055 (= GP VI 52 n. *64). Die genannte Zusammenkunft von Worms muß 862 in Mainz stattgefunden haben, vgl. May, Reg. Bremen 13 n. 40 und Drögereit 188-190 mit Angabe der älteren Literatur, obwohl sie Seegrün, Papsttum 34 für 857 in Worms ohne Angabe von Gründen vermutet. Dort wurde über die Eximierung des Bremer Bistums aus dem Kölner Sprengel verhandelt, der sich Erzbischof Gunther von Köln nur bei päpstlichem Entscheid beugen wollte; in der vorliegenden Urkunde nimmt Bischof Waldgar von Verden in bezug auf Ramelsloh diese Haltung ein. Zur Verwendung des LD vgl. Santifaller, LD 94; zu den in der Datierung genannten Personen vgl. Halphen, Administration 94 und Santifaller, Elenco 53 und 261. Schieffer 518 verweist darauf, daß in der Datierung die Herrscherjahre in n. 706 auf den Papst übertragen worden sein könnten. Eine in der Datierung bestehende Rasur zwischen kl. und iunias will Pflugk-Harttung, Bullen Hamburg-Bremen 200 mit II. ergänzen, so daß möglicherweise die gleiche Datierung wie für n. 706 anzunehmen wäre.

Nachträge

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Empfohlene Zitierweise

RI I,4,2 n. †707, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/c403cefc-19d9-434c-86f4-02216d186330
(Abgerufen am 25.04.2024).