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RI I Karolinger 715-918 (926/962) - RI I,4,2

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(Papst) Nikolaus (I.) schreibt den Teilnehmern des auf seine Anweisung hin zusammengetretenen Konzils von Soissons (n. 806) (reverentissimis et sanctissimis confratribus nos-tris archiepiscopis et episcopis, qui per gratiam Dei et decretum nostrum apud Suessonicam urbem convenerunt), ihren Gesandten (Erzbischof) Egilo (von Sens) (n. 821) empfangen und dessen Bericht gehört zu haben; er tadelt scharf die von (Erzbischof) Hinkmar (von Reims) zu vertretenden gravierenden Verfahrensfehler und Verfälschungen, die ihm bei der Durchsicht der von diesem zusammen mit den Akten zur Absetzung Rothads (von Soissons) (vgl. n. 612 und n. 620) übersandten (n. 609) Konzilsakten der Synode von Soissons 853 (MG Conc. III 253-293) hinsichtlich der Absetzung der Ebo-Kleriker aufgefallen seien und aufgrund derer bereits sein Amtsvorgänger (Papst) Leo (IV.) der Versammlung zu Recht die mehrfach von Hinkmar erbetene (vgl. n. 283, n. 285 und n. 333) päpstliche Approbation verweigert (vgl. n. 284) und nach abermaliger Appellation der Betroffenen (vgl. n. 286) eine Wiederaufnahme des Falls auf einer neuen Kirchenversammlung im Beisein des päpstlichen Legaten (Bischof) Petrus von Spoleto angeordnet hatte (n. 290), die jedoch von Hinkmar hintertrieben worden sei, indem er bei Leos Nachfolger (Papst) Benedikt (III.) in unlauterer Weise durch Behauptung falscher Tatsachen eine Bestätigung des strittigen Konzilsurteils erwirkt (vgl. n. 376), dessen Text u. a. durch die Nennung des tatsächlich bettlägerigen Wulfad unter den angeblich anwesenden Konzilsteilnehmern vorsätzlich verfälscht und bei der Bitte (n. 609) um erneute Bestätigung der Urkunde durch Nikolaus (n. 626) den in Benedikts Approbation ausdrücklich formulierten Vorbehalt zu wahrheitsgemäß erfolgter Berichterstattung unterschlagen habe. Der Papst erinnert an seine auch anderen (Erzbischöfen) brieflich mitgeteilte (vgl. n. 789, n. 792 und n. 793) Aufforderung an Hinkmar (n. 791), entweder selbst Wulfad und seine Genossen, die an ihn appelliert hätten (n. 463), zu rehabilitieren oder den Fall dem Konzil (in Soissons 866) vorzulegen; nimmt die in dem ihm übersandten Synodalschreiben (vgl. n. 808) zum Ausdruck kommende Einmütigkeit der Konzilsteilnehmer bezüglich einer Restitution Wulfads und seiner Mitkleriker zur Kenntnis, tadelt jedoch die trotz seiner ausdrücklichen Anweisung (vgl. n. 791, n. 792, n. 793) ausgebliebene umfassende Berichterstattung über die gesamte Angelegenheit und mahnt streng die Übersendung der vollständigen Akten an, da der in Hinkmars Brief (n. 820) und dem Synodalschreiben (n. 808) dargelegte Argumentationsgang zur Entscheidung des Konzils geradezu lächerlich erscheine; er erklärt die betroffenen Kleriker für in jeder Hinsicht vollständig rehabilitiert und räumt Hinkmar eine Frist von einem Jahr ein, um die behauptete Rechtmäßigkeit ihrer einstigen Absetzung zu beweisen, nach deren Ablauf der Fall als endgültig abgeschlossen zu behandeln sei; er tadelt die Konzilsteilnehmer für die aus den Schreiben der Synode ersichtliche Überschreitung ihrer Kompetenzen bei der eigenmächtigen Erhebung (Wulfads) zu höheren Weihen, die König Karl (der Kahle) zuvor mehrfach beim Papst erbeten (vgl. n. 801 und n. 811), die er aber in seinem päpstlichen Antwortschreiben (n. 812) auf die Zeit nach der Konzilsentscheidung vertagt hatte, und erklärt das aus dem Codex episcopalis zu rekonstruierende Verhalten seines Amtsvorgängers Papst Sergius (II.) (n. 32) gegenüber (Erzbischof) Ebo (von Reims) nach Maßgabe der Konzilsbeschlüsse von Nikaia für korrekt, spricht diesem jedoch unter Berufung auf Sentenzen der Päpste Gelasius (I.) (JK 664), Leo (I.) (JK 419) und Anastasius (II.) (JK 744) jeden Beweischarakter im laufenden Rechtsverfahren ab.

Originaldatierung:
Data VIII. idus Decembris indictione XV.
Incipit:
Reverentissimum fratrem et coepiscopum nostrum...
Empfänger:
Konzil von Soissons

Überlieferung/Literatur

Orig.: –.

Kop.: 9. Jh., Laon Bibl. mun.: Ms. 407 fol. 94r-104v; Ende 9. Jh., Paris Bibl. nat.: Ms. lat. 1557 fol. 58r-61v; 10. Jh., Rom Bibl. Vat.: Cod. Regin. lat. 566 fol. 56v-60r; 16. Jh., Rom Bibl. Vallicelliana: C 15 fol. 209v-216v; 17. Jh., Paris Bibl. nat.: Ms. lat. 3859A fol. 137v-145v; 18. Jh., Paris Bibl. nat.: Coll. Moreau 1231 fol. 40r-48v.

Erw.: n. 848; n. 854; n. 866.

Drucke: Carafa, Epist. III 175; Sirmond, Conc. Gall. III 303; Conc. coll. reg. XXII 850; Labbe-Cossart, Conc. VIII 843; Hardouin, Acta Conc. V 633; Mansi, Coll. XV 738; Migne, PL CXIX 1093; MG Epist. VI 414-422 n. 79.

Reg.: Bréquigny, Table I 274; J 2133; JE 2822; Böhmer-Will, Reg. 75 n. 12.

Lit.: Perels, Nikolaus 127, 132, 134, 138-140 und 174 Anm. 1; Haller, Nikolaus 117, 139 Anm. 371; Devisse, Hincmar II 613-615; Bishop, Nicholas 81f., 287, 291 Anm. 2, 330f.; Hartmann, Synoden 319f.; Scholz, Transmigration 123; Schieffer, Beziehungen karolingischer Synoden 160; Herbers, „Textus" 123f.; Patzold, Episcopus 329, 339f.

Kommentar

Zur Überlieferung vgl. Perels, Briefe I 550-562, 564-569, 583 und Jasper, Beginning 111-114. Der Abschrift in Coll. Moreau 1231 geht auf fol. 39r ein Regest des Briefes voran. Vgl. auch Gall. Pont. III 108f. n. *103 zur Überlieferung in Cod. Regin. lat. 566, woraus sich eine Übermittlung des Briefs auch an Ado von Vienne ergibt, obwohl dieser nicht am Konzil von Soissons teilgenommen hatte, vgl. n. 793. Zum Fall der Ebo-Kleriker um Wulfad insgesamt vgl. n. 806. Das Schreiben gehört in den Zusammenhang der weiteren zeitgleich ergangenen Briefe n. 836, n. 838 und n. 839. Zu den Fälschungsvorwürfen Nikolaus’ gegen Hinkmar vgl. Haller 118, Hartmann, Fälschungsverdacht 119f. sowie Herbers zum hier gebrauchten textus-Begriff. Zu dem vom Papst angeführten Kanon des Konzils von Nikaia vgl. Turner, Eccl. Occ. Mon. I 118f. c. 5. In seiner Antwort nimmt Nikolaus mehrfach Bezug auf angebliche Inhalte im Synodalschreiben der Versammlung von Soissons (n. 808) bzw. in Hinkmars Begleitbrief (n. 820) – so zur Ordination Wulfads zum Erzbischof von Bourges –, die in den erhaltenen Fassungen der Texte nicht zu finden sind. Ebensowenig verzeichnet das päpstliche Schreiben an Karl den Kahlen n. 812 die grundsätzliche, nur noch der Zustimmung des Soissonenser Konzils vorbehaltene Ordination Wulfads auf den Erzstuhl von Bourges, wie Nikolaus sie im vorliegenden Brief andeutet. Die erwähnten Recherchen im Codex episcopalis könnten neben dem Liber Pontificalis (so Perels in MG Epist.) auch auf ein Briefregister verweisen.

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Empfohlene Zitierweise

RI I,4,2 n. 837, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/b8e325be-6b89-4025-a41d-a7f75de366f7
(Abgerufen am 20.04.2024).