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RI XI Sigmund (1410-1437) - RI XI Neubearb., 3

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Kg. S. beantwortet einen wörtlich inserierten offenen Brief (list váš otevřený) seines Bruders, Kg. Wenzels [IV.]: Kg. Wenzel [IV.] wirft seinem Bruder, Kg. S. vor, dass er trotz des wiederholten wechselseitigen Austauschs von Gesandtschaften und der Vereinbarung einer persönlichen Zusammenkunft schon lange Zeit vergeblich auf eine Unterredung wartet. Diese wäre sehr nützlich, da die Brüder sich über das gemeine Wohl der Böhmischen Krone einigen und ihre brüderliche Liebe festigen könnten (abychom tu o své ctné a dobré našie koruny a našie země uhodili, i také coby nám vás potřeba byla a vás k čemu potřebovali, a zvláště lásku bratrskú mezi sebú konečně dokonali). Wenn es nötig ist, will Wenzel den Ratschlägen S.s gerne folgen, um die Einung des Landes zu erreichen und die Spaltung der Geistlichkeit zu beseitigen. Es soll nämlich nicht befunden werden, dass das Wohl des Landes und der Böhmischen Krone durch ihn, Kg. Wenzel, zugrunde geht. Wenzel betont allerdings nochmals, was bereits seine Gesandten S. mitgeteilt haben: Er wird oft gewarnt, dass S. nach der gemeinsamen Unterredung und in Kenntnis von Wenzels Absichten dessen einheimische Gegner empfangen und in der Böhmischen Krone im Gegensatz zu Wenzels Willen agieren wird. Derartige Einmischungen S.s sowie die Regierungsbeteiligung von Wenzels Gegnern sind wider Wenzels Willen und führen zur Verminderung der Macht und Ehre des Kg.s von Böhmen (ješto by druhé bylo proti našie vóli a umenšenie našie cti a našie moci a ty snad by měli vlásti, ješto by byli proti naši vóli).2 Darum macht Wenzel S. mit Nachdruck darauf aufmerksam, dass er auf Lebenszeit mit Gottes Hilfe in seinen Ländern selbst regieren will (nebo náš úmysl jest, že my s Boží pomocí, dokud jsme živi, mieníme sami kralovati a své země zpravovati), und hofft, dass S. ihm dabei – als sein lieber Bruder – behilflich sein wird. Die Gesandten Wenzels werden S. über seine Absichten ausführlicher informieren [vor 1418 Dezember 4].3 Kg. S. wundert sich in seiner Antwort, dass Kg. Wenzel nur die Spaltung der Geistlichen beseitigen will und sich nicht dem viel gewichtigeren Abfall der Laien von der Kirche Gottes (od kostela božieho) widmet, ohne deren Unterstützung die Geistlichen ihre üblen Taten wider den christlichen Glauben nicht begehen könnten. Kg. Wenzel soll wissen, dass das Konstanzer Konzil Bannbriefe (listy klatebné) gegen ihn und das Kg.reich Böhmen ausstellen wollte, worüber ihn S. bereits ausführlich unterrichtet hat (vedle plného zpravenie). Er, S. hat die Bannbriefe mit großer Mühe (prací, bedlivostí, prosbami a řečmi) verhindert und durch Wenzels Briefe und dessen Gesandte vor dem Konzil bewiesen (praviece a jistiece), dass sein Bruder keineswegs von der Häresie – wie S. gehofft hat und immer noch hofft – angesteckt ist (nebyli nakvašeni tú věcí), sondern im Gegenteil die infizierten Personen gerade durch Kg. Wenzel leichter in die chrisctliche Gemeinschaft (k řádu křesťanskému) wieder zurückgebracht werden können. Stelle aber Wenzel nicht ohne Verzögerung die Ausbreitung dieses Irrtums ein und vernichtet ihn nicht vollständig, könnten die Kirche und die ganze Christenheit vermuten, dass Kg. S. aufgrund der Blutsverwandtschaft eher dem böhmischen Kg. als dem christlichen Glauben zuneige. Dies könnte dazu führen, dass S. all seiner Herrschaftswürden enthoben wird. Deswegen rechtfertigt er sich vor Gott, seinem Bruder und allen Menschen, dass er beim Konzil nicht länger für Wenzel bitten und sich für ihn einsetzen kann. Weiter reagiert er, S. auf die Vorwürfe seines Bruders, dass er trotz der zahlreichen wechselseitigen Gesandtschaften die geplante Zusammenkunft verzögert, betont aber, dass das Zusammentreffen mit Wenzel an der Grenze des Kg.reichs Böhmen (na mezi české) stattfinden soll, wozu er immer noch bereit ist. Erstens will er aber nichts anderes, als die Angelegenheit des Glaubens und der Glaubensspaltung im böhmischen Kg.reich mit ihm besprechen, wobei er ihm mit seiner kgl.en Macht behilflich sein möchte. Erst wenn diese Angelegenheit hoffentlich beendet sein wird (a to bohda dokonajíc), ist S. bereit, seinem lieben Bruder (bratrovi našiemu milému) auch in anderen Sachen mit Rat und Hilfe beizustehen. Wenn aber Wenzel dem Glauben der Vorfahren nicht treu bleibt und die Häresie in seinem Kg.reich nicht ausrottet, wird S. ihn nicht mehr als seinen Bruder betrachten. Schließlich warnt S. seinen Bruder: Wenn Wenzel die drohende Gefahr und Schmach des böhmischen Kg.reichs nicht vermeiden will, sondern es darauf ankommen lässt, dass die Kirche sich gegen ihn und das Kg.reich Böhmen als Unterstützer der Häresie (jakožto proti přátelóm kacieřské zlosti) empört und somit das Kg.reich mit allen Ketzern welchen Standes auch immer (všichni bludní, kteréhož kolivěk řádu) der Ehre und Würde entsetzt, alle Lehnsleute, Untertanen und Geschworenen (manové, poddaní a přísežní) von ihren Eiden entbindet und von der Böhmischen Krone abtrennt und einen Kreuzzug gegen den Kg. sowie seine Mithelfer ausruft (svěcká ruka i kříž vydán byl), wird er, S. eine solch große Schmach und Schande (tak veliké hanby a ohavnosti) nicht mehr dulden. Er, S. will nämlich nicht für einen Freund und Verteidiger der Ketzer gehalten werden (viděn jakož přietel a obránce bludných) und ist deshalb bereit, den Kirchengesetzen zu gehorchen. Er ermahnt Wenzel, die oben erwähnten Sachen öffentlich so richtigzustellen, dass er, S. und andere christliche Herrscher (kniežata křesťanská) nicht gegen die Feinde der Kirche und Wenzels Königtums (proti nepřátelóm kostela svatého křesťanského a vašeho královstvie) kämpfen müssten (nemosila vzieti meč). Überdies versichert S. seinem Bruder, dass er ohne seinen Rat keinen seiner, Wenzels, Amtsträger im böhmischen Kg.reich auswechseln werde, wovor sich Kg. Wenzel gefürchtet hat (bych tvých úředníkóv neměnil; věz, že bez tvé rady nic nemienim učiniti)4 (nach Kop.).

Originaldatierung:
den swate Barbory
Kanzleivermerke:
KV: Rex per se (nach der Übersetzung von Höfler).

Überlieferung/Literatur

Orig. im bearbeiteten Bestand nicht überliefert. ‒ Kop. tsch.: einfache Abschrift aus dem 15. Jh. in SOA Třeboň, Bestand Historica Třeboň, Sign. 171, pag. 16–18 (B); einfache Abschrift aus dem 15. Jh. in KNM Praha, Sign. I E 6, fol. 8r‒9r (C); eine Abschrift aus dem 19. Jh. in ANM Praha, Bestand C – Muzejní diplomatář, sub dato (D). An die Abschrift des Briefes S.s in B und C schließt die Darstellung eines angeblichen Gesprächs zwischen Kg. S. und seinem Reichskanzler, dem Passauer Bischof Georg von Hohenlohe, an: Zunächst erklärt der Kg., dass er es kaum erwarten könne, die Wiklifiten und Hussiten zu ertränken. Darauf stellt der Bischof die Frage, ob sie nicht vielmehr wie Ketzer verbrannt werden sollten. S. verneint, weil die Böhmen noch keine echten Ketzer seien, sondern bloß im Glauben geirrt hätten. Deshalb sollten nur die hussitischen Priester ertränkt werden, während die Adligen, Bürger und Bauern begnadigt werden sollten, da sie auf Rechtgläubigkeit der Priester vertraut hätten (Také král Sigmund vece: Věz každý Čech, Němec i Latiník, že jedva té radosti a času dočkám, když budú Viklefy Husy topiti. Ale biskup pasovský stoje přěd králem vece: Máme jě páliti jako kacieře? Tehdy král Sigmund odpovědie: Ne, ne tak, nebo Čechové nejsú ještě praví kacieři, jedne že sú na vieře pochybili. Proto kněží Viklefi a Husi mají topeni býti, ale světským pánóm i měšťanóm i sedlákóm má sě milostivě státi, neb sú mnieli, by jě Husie dobře vedli; nach B).

Ed.: I, S. 10–12, Nr. 5 (nach B); Palacky, Documenta, S. 682–686, Nr. 119 (nach B; mit lat. Übersetzung). ‒ Dt. Übersetzung: Höfler, Geschichtschreiber, II, S. 252–254 (dt. Übersetzung nach einer der Textvariante B verwandten Überlieferung mit falscher Auflösung des Jahres 1417).

Reg.: RI XI, Nr. 3724.

Lit.: Šmahel, Husitská revoluce, II, S. 309, 358, Anm. 291; ders., Hussitische Revolution II, S. 986–987.

Anmerkungen

  1. 1Die Jahreszahl ergibt sich aus dem Itinerar Kg. S.s und aus dem historischen Kontext.
  2. 2bylo proti našie vóli a umenšenie našie cti a našie moci a ty snad by mieli vlásti, ješto by byli fehlt in B.
  3. 3Die Abschrift des Briefes Kg. Wenzels ist undatiert, er dürfte allerdings unmittelbar vor dem Brief S.s ausgestellt worden sein. Das Insert stellt die derzeit einzige Überlieferung dar. In RBMV III wurde der Brief nicht regestiert.
  4. 4Der Satz ist in der kopialen Überlieferung jeweils an unterschiedlichen Stellen eingeschoben: in C schließt er unmittelbar an die Datierungsformel an, in B steht er am Schluss des Eschatokolls noch vor der Datierungsformel.

Nachträge

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Empfohlene Zitierweise

RI XI Neubearb., 3 n. 14, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/a9e2c306-f440-4821-90f2-093ea3464bb2
(Abgerufen am 19.03.2024).