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RIplus | SFG: Bischöfe und Domkapitel von Augsburg - Bd. 1: Wikterp - Walther I. von Dillingen (769-1152)

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Bevor Bischof Heinrich zu einer Wallfahrt nach Rom aufbricht, überträgt er der Domkirche das Eigengut (proprietatem) in Gisinhusa [Geisenhausen, Lkr. Vilsbiburg], das seinem Vater gehörte. Dieser hatte es unter Zeugen seinem Getreuen Etich mit der Auflage übertragen, es jederzeit nach Aufforderung an Bischof Heinrich herauszugeben. Heinrich übergibt es durch Etichs Hand nach baierischem Recht (secundum legem Noricorum) [der Kirche] der hl. Maria in Augsburg (in Augusta civitate) in die Hände des Vogtes Werenhar (Werenher) und des [Dom-]Propstes Gerhard über dem Altar und einem vergoldeten, mit Steinen besetzten Reliquienschrein (super capsam deauratam lapidibusque inclusis decoratam) mit der Kirche, allen Gebäuden, Äckern, Wiesen, Weiden, Mühlen, mit festen Plätzen (civitatibus), Wäldern und der familia samt allem anderen Zubehör mit Ausnahme von 20 Hufen (hobas), die er dem [Kloster des] hl. Magnus ad Fauces [Füssen] schenkt. Die Kanoniker [des Domes] (canonici) können diese 20 Hufen gegen zehn andere eintauschen, die an guten Orten in dieser Provinz [Schwaben] gelegen sind. Die geschenkten Güter sollen stets im rechtlichen und tatsächlichen Eigentum der Kanoniker bleiben und zu deren Unterhalt dienen unbeschadet der hergebrachten Leistungen aus dem Stipendialgut. Sie müssen dafür am Vorabend seines Jahrtages und am Jahrtag selbst eine volle Vigil zu seinem Seelenheil halten; nach der missa conventualis (celebrata missa altaris) sollen sie gemeinsam Gott das hl. Opfer darbringen (hostiae oblacionem omnes in commune deo offerant). Sie müssen hundert Armen hinreichend Speise und Trank reichen und zwölf von diesen in einem Jahr mit leinenen, im anderen mit wollenen Kleidern versehen und ihnen Stiefel und Schuhwerk geben. Wenn einer der folgenden Bischöfe die geschenkten Güter den Kanonikern wegnehmen und auf Mahnung nicht sogleich zurückerstatten will, können die Erben des Schenkers den ganzen Besitz gegen fünf auf den Altar niederzulegende Pfennige zurückkaufen. - Actum in Augusta in aecclesia s. dei genitricis Mariae ante altare episcopo Heinrico perpetrante in praesentia canonicorum coram frequentia populi et coram testibus subnotatis. S[ignum] Etich, qui hanc traditionem fecit. S. Adalpero, s. Jagob, s. Marahwart, s. Willehalm, s. Hunvrid, s. Engilmar, s. Wezzi, s. Piligrim, s. Gundachar, s. Cadolt, isti de provincia Noricorum. Isti autem de provincia Alamannorum: S. Werenheri advocatus, qui hanc traditionem cum manu Gerhardi praepositi accepit, s. Hiltipolt, s. Gotepolt, s. Reginhart, s. Suidger, s. Aribo, s. Urolf. Anno incarnationis domini nostri Jesu Christi nongentesimo octuagesimo, indictione octava, 4. nonas octobris, luna 20., die Jovis. Ego igitur Gerhardus indignus presbiter notavi diem et annum.

Überlieferung/Literatur

Vita Udalrici cap. 28 (10. Jh.) MG SS 4, 417 f; Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel, Cod. Blankenburgensis 130 fol. 1 (11. Jh.); StadtA Augsburg, Urkundensammlung Herwart Nr. 4 (18. Jh.). - Nagel, Notitiae origines domus Boicae illust. 270 ff. - 2. Jahresbericht hist. Verein Oberdonaukreis 78 Nr. 24; MB 35 I, 151 Nr. 60. Vgl. auch Nr. 278.

Kommentar

Das Original der Carta über diese Schenkung ist verloren, der wesentliche Inhalt ist durch die Vita Udalrici überliefert. Die Anführung der Corroboratio (si autem aliquis), der Actumzeile (actum in Augusta), der Zeugenreihe (coram testibus subnotatis), der Datierung (anno incarnationis) und der Schreibernennung (ego igitur Gerhardus) deuten daraufhin, daß dem Schreiber der Vita Udalrici die Carta vorlag. Jünger ist die Überlieferung in dem Wolfenbütteler Codex, in dem es bei der Übergabe der Güter durch Etich heißt „ut legitur in antiquiori vita s. Odalrici“. Diese Niederschrift kann erst nach dem Jahr 1030 entstanden sein; denn um diese Zeit schrieb Abt Berno von Reichenau die jüngere Udalrichs-Vita (s. Nr. 102 und 205; Zoepfl, Bisch. 62). Die Vorlage des Druckes von Nagel, der gewisse Abweichungen von der Vita Udalrici und auch vom Wolfenbütteler Codex hat, war nicht zu ermitteln. Nagel beruft sich auf eine Abschrift des frühen 12. Jahrhunderts des Domkapitelarchivs Augsburg (S. 269). Über Anton Nagel (1742-1812) vgl. A. Kraus, Die historische Forschung an der churbayerischen Akademie der Wissenschaften (Schriftenreihe zur bayer. Landesgeschichte 59 [1959]) 166 f; Nagels Nachlaß liegt in der Bayer. Staatsbibliothek (P. Ruf, Codices Bavarici, in: ZBLG 18 [1955] 36).

In der Vita Udalrici stimmen das Inkarnationsjahr und die Indiktionsangabe, sowie der Monatstag nach dem römischen Kalender und das angegebene Mondalter überein. Die Angabe des Wochentages weicht jedoch davon ab: Der 4. Oktober war ein Montag, nicht Donnerstag (dies Jovis). Es bleibt unentschieden, ob hier uneinheitliche Datierung vorliegt, nach der die Handlung am 4. Oktober, die Beurkundung am darauffolgenden 7. Oktober stattfand. Das Inkarnationsjahr im Wolfenbütteler Codex und bei Nagel lautet 982. Dies ist jedoch unmöglich, da sich nach der Vita Udalrici Heinrich in diesem Jahr in Italien aufhielt.

Die Urkunde hat die Form der spätrömischen Carta, wie die subjektive Fassung und die Schreibernennung zeigen. Ob die Wendung „episcopo Heinrico perpetrante“ eine Beteiligung des Bischofs bei der Unterfertigung andeutet, ist ungewiß. Im alamannischen Bereich war diese Art der Beurkundung noch gebräuchlich; sie hat wesentliche Unterscheidungen gegenüber der Beurkundung durch Siegelurkunden, die in Augsburg schon unter Bischof Udalrich vorkommt (s. Nr. 144). Die Urkunde Heinrichs zeigt Parallelen zum Urkundenwesen St. Gallens der gleichen Zeit (vgl. Feist-Helleiner, AZ 37, 44 f).

In RI 2, 361 Nr. 823 a wird diese Verfügung Heinrichs als Testament vor dem Italienzug von 981 angesehen; der Text der Vita läßt jedoch erkennen, daß der Bischof nach dem Vollzug der Schenkung zu einer Wallfahrt nach Rom aufbrach, dann nochmals nach Augsburg zurückkehrte und schließlich 981 erneut nach Süden zum kaiserlichen Heer zog.

Über die Rechtslage des geschenkten Gutes im Rahmen des domkapitelischen Besitzes vgl. Riedner, AHAug 1, 46 f und Rückert, ebd. 5, 193 f. Ältere Literatur über Geisenhausen s. Kunstdenkmäler Bayerns, Bez.-Amt Vilsbiburg (1921) 106; vgl. auch Nr. 271. Die an das Kloster in Füssen geschenkten Hufen wurden sicher im Rahmen der Vorschriften der Schenkung von den Domkanonikern eingetauscht (s. dazu Steichele, BA 4, 373).

Durch die Urkunde wurde das Domkapitel zu besonderen gottesdienstlichen Aufgaben am Jahrtag des Stifters verpflichtet (s. auch die Eintragungen im Liber ordinationum, MB 35 I, 151 Nr. 60). Nach dem Wortlaut der Vita feierten die Kanoniker die Messe am Jahrtag wohl mit einer „Concelebratio caeremonialis“, bei der alle Beteiligten einschließlich der Priester in angemessener Weise teilnahmen (vgl. über die verschiedenen Formen der Kon- zelebration bes. J. A. Jungmann, Missarum sollemnia 21 [1949] 249 ff; LThK 3, 27; Miguel Nicolau, La concelebracion eucaristica, in: Salmanticensis 8 [Salamanca 1961] 269-294).

 

Nachtrag:

 

Zur Handschrift der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel, Cod. Blankenburg 130 vgl. Butzmann 138 f, 144. - Über die Schenkung von Geisenhausen durch Bischof Heinrich vgl. HAB Vilsbiburg 89 f, 271 f, 310 f; G. Diepolder, Oberbayerische und niederbayerische Adelsherrschaften im wittelsbachischen Territorialstaat des 13.-15. Jahrhunderts, in: ZBLG 25 (1963) 50. - Über Anton Nagel vgl. auch A. Kraus, Vernunft und Geschichte. Die Bedeutung der deutschen Akademien für die Entwicklung der Geschichtswissenschaft im späten 18. Jahrhundert (1963) 362. - Über den Domkapitelbesitz in Geisenhausen vgl. auch Nr. 271, 278, 382, 383 und 509. - Bei dem unter den Zeugen genannten Vogt Werenher handelt es sich um Wernher I. aus der später nach Schwabegg genannten Familie; vgl. BA 9, 133 f, 140 Nr. 1 und HAB Augsburg Land 29 f, 38 f. Zu den Rechtsfragen der Übereignung vgl. Faußner, Designationsrecht 26 f.

 

Regest übernommen aus: Die Regesten der Bischöfe und des Domkapitels von Augsburg, bearbeitet von Wilhelm Volkert (Veröffentlichungen der Schwäbischen Forschungsgemeinschaft, Reihe 2b), Augsburg 1985, S. 96f.

Nachträge

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Empfohlene Zitierweise

RIplus Regg. B Augsburg 1 n. 170, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/a9889b70-b25f-447e-b70d-4ab4ab87bcc3
(Abgerufen am 19.04.2024).

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