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RI XI Sigmund (1410-1437) - RI XI Neubearb., 2

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K. S. erhebt (facimus, creamus, erigimus, nobilitamus, attollamus et auctoritate imperiali gratiosius insignimus) mit wohlbedachtem Mut, rechtem Wissen und gutem Rat seiner und des Heiligen Römischen Reiches Fürsten, Grafen, Freiherren, Edlen und Getreuen und aus ksl.er Machtvollkommenheit (de […] imperialis plenitudine potestatis) den ansehnlichen Ritter Matthias Schlick, seinen Rat, und dessen Bruder, Magister Heinrich, seinen Sekretär (spectabilibus Matheo Slick consiliario militi et magistro Henrico Slick fratri suo, secretario nostro), in Ansehung von deren Umsicht, Eifer und ständiger Treue, die sie ihm stets erwiesen haben und in der Zukunft noch erweisen sollen, sowie auch ihre legitimen männlichen Erben, die in der Grammatik ausreichend ausgebildet sein werden (in litteratura sufficienter instructos), zu lateranensischen Pfalzgrafen (sacri Lateranensis palacii auleque nostre imperialis consistorii comites).

[1.] Er, S. legt fest (decernentes et hoc imperiali statuentes edicto), dass Matthias, Heinrich und deren Erben auf ewig alle Privilegien, Rechte, Immunitäten, Ehren, Gewohnheiten und Freiheiten (omnibus privilegiis, iuribus, immunitatibus, honoribus, consuetudinibus et libertatibus) genießen sollen, wie sie den lateranensischen Pfalzgrafen nach Recht und Gewohnheit gebühren.

[2.] Er ermächtigt (dantes et concedentes […] plenam et omnimodam […] potestatem) Matthias, Heinrich und deren Erben, überall im Reich öffentliche Notare oder Richter (notarios publicos seu tabelliones et iudices ordinarios) mit allen dazu gehörenden Befugnissen zu ernennen, diese, wenn sie zur Ausübung dieses Amtes geeignet und in der Grammatik bewandert sind, mit Feder und Tintenfass zu investieren und ihnen einen Eid abzunehmen, mit dem sie sich verpflichten, dem Heiligen Römischen Reich treu zu sein, ihre öffentlichen sowie privaten Instrumente, Testamente, Gerichtsakten und andere Dokumente gerecht und ohne unlautere Absichten (iuste, pure, fideliter, omni simulatione, machinatione, falsitate et dolo remotis) aufzusetzen, diese nie auf palimpsestierten Urkk. (in cartis abrasis), sondern ausschließlich auf Perg. gemäß den Ortsgebräuchen zu mundieren, alle Urteile sowie Zeugenaussagen, die noch nicht publiziert worden sind, geheim zu halten, und auch alles andere, was ihrem Amt obliegt, nach Recht und Gerechtigkeit zu tun. Die durch Matthias, Heinrich und deren Erben ernannten Notare dürfen überall im Reich Verträge, [Notariats-]Instrumente, Urteile und Testamente aufsetzen (conscribere et publicare contractus, instrumenta, iudicia, testamenta et ultimas voluntates), Dekrete und Verordnungen publizieren (decreta et auctoritates interponere) und alles andere tun, was mit dem Amt eines öffentlichen Notars verbunden ist.

[3.] Des Weiteren gewährt (concedimus et largimur) er Matthias, Heinrich und deren Erben das Recht, uneheliche Kinder (naturales, bastardos, spurios, manseres, incestuosos copulative aut disiunctive et quoscumque ex illicito et dampnato coytu procreatos seu procreandos) zu Lebzeiten oder nach dem Tod der Eltern zu legitimieren, jedoch mit Ausnahme der Söhne von Fürsten, Grafen und Freiherren. Sie dürfen diese Personen in alle Ehren und Rechte, besonders in die Erbrechte einsetzen, als ob sie in einer gesetzlichen Ehe geboren wären. Die legitimierten Personen dürfen auch die Erbschaften der ohne Testament verstorbenen Personen ansprechen, jedoch nur unter dem Vorbehalt, dass sie die ehelichen Kinder und Erben nicht benachteiligen, sondern diesen in der Erbfolge nachfolgen sollen (dumodo legittimationes per vos et heredes vestros fiende […] non preiudicent filiis legittimis et heredibus, quin ipsi cum legittimandis per vos et heredes vestros predictos equis portionibus suis succedant parentibus et agnatis). Er legt fest, dass diese seine Regelung durch die namentlich angeführten sowie alle anderen zivilen Gesetze nicht beeinträchtigt werden soll (non obstantibus ff. finali. aut. qui. mo. natura. effici. sui et omnibus aliis iuribus, dispositionibus ipsis filiis omnem clementiam denegantibus necnon aliquibus legibus, quibus cavetur, quod naturales, bastardi, spurii, incestuosi copulative vel disiunctive vel alii quicumque de illicito coytu procreati vel procreandi non possint vel debeant legittimari sine consensu et voluntate filiorum naturalium et legittimorum […] etiam non obstantibus in predictis aliquibus legibus aliis, etiam si tales essent, que deberent in presentibus exprimi et de eis fieri mentio specialis) und hebt (derogamus et derogatum esse decernimus) etwaige widersprüchliche gesetzliche Bestimmungen mit rechtem Wissen und aus ksl.er Machtvollkommenheit auf.

[4.] Des Weiteren gewährt (concedimus et largimur) er Matthias, Heinrich und deren Erben die Befugnis, Unmündige nach den rechtlichen Bestimmungen für volljährig zu erklären (etatis veniam concedere),

[5.] Vormünder und Kuratoren zu bestellen (tutores quoque et curatores dare et con­stituere),

[6.] die Entlassungen von Kindern aus der elterlichen Gewalt, sofern deren Eltern sie entlassen wollen, zu bekräftigen, auch wenn diese Kinder bei Gericht nicht anwesend sind (et auctoritatem interponere in emancipationibus liberorum, quos parentes sui voluerint emancipare etiam dictis liberis absentibus a iudicio)

[7.] und Adoptionen bzw. arrogationes durchzuführen und zu beurkunden (in adoptionibus quoque et arrogationibus auctoritatem impartiri et decretum interponere).

[8.] Schließlich verbietet er allen (nulli ergo hominum liceat), diese seine Urk. (hanc nostre creationis, ordinationis, decreti, statuti, concessionis, derogationis et gracie paginam) zu verletzen, wenn sie seine und des Heiligen [Römischen] Reiches schwere Ungnade sowie eine Pön von 100 Mark reinen Goldes bei jeder Verletzung vermeiden wollen, welche Summe zur Hälfte an die Reichskammer (imperialis fisci sive erarii […] usibus), zur Hälfte an die Geschädigten zu bezahlen wäre.

Arenga: Sceptrigera imperatorie dignitatis sublimitas sicut inferioribus potestatibus officii et dignitatis elatione prefertur, ut commissos sibi fideles optate consolationis presidio gubernet, quod thronus augustalis tanto solidetur felicius et uberiori prosperitate proficiat, quanto indesinentis sue virtutis donaria largiori benignitatis munere fuderit in subiectos. Sic a coruscante splendore imperialis solii nobilitates alie velut e sole radii prodeuntes, ita fidelium status et condiciones illustrant, quod primeve lucis integritas minorati luminis detrimenta non patitur, ymmo ampliori utique rutilantis iubaris expectato decore perfunditur, dum in circuitu sedis auguste nobilium, comitum, baronum et procerum nostrorum et imperii sacri fidelium numerus feliciter adaugetur.

Originaldatierung:
die octaua mensis augusti; 47 – 23 – 14 – 1
Kanzleivermerke:
KVr: Ad mandatum domini imperatoris Petrus Kalde canonicus Zagrabiensis. – KVv: Registrata Marquardus Brisacher.

Überlieferung/Literatur

Orig. südliches Perg. lat. mit einem wachsfarbenen Großsiegel mit einem roten Rücksiegel (Avers des ksl.en Majestätssiegels Posse 17/1 und ksl.es Sekretsiegel Posse 18/1; Siegelankündigung für Majestätssiegel [!]) an einer schwarz-gelben Seidenschnur (manipuliert?) in SOA Zámrsk, Bestand RA Šliků, Inv. Nr. 208, Sign. IV.5, Kart. 22 (A). – Altes Reg.: Notat im Reichsregister S.s in HHStA Wien, RR K, fol. 27v (alt: 17v) (B).

Ed.: Lünig, Spicilegium Seculare des Teutschen Reichs-Archivs, II, S. 1177–1178; Elbel – Zajic, Die zwei Körper, III, S. 122‒126, Nr. 11.

Reg.: RI XI, Nr. 9588.

Lit.: Pennrich, Urkundenfälschungen, S. 36, 38, 55–56; Zechel, Studien, S. 210–211; Kovács, Coronation, S. 130, 134; Elbel – Zajic, Die zwei Körper, II, S. 146–151.

Kommentar

Die Urk. wurde in der bisherigen Forschung wenig berücksichtigt und stets als eine echte Urk. betrachtet, obwohl ihre äußeren Merkmale verdächtig sind. Ganz ungewöhnlich ist schon ihre Besiegelung. Die Benutzung des Sekretsiegels als Rücksiegel war in der Reichskanzlei S.s offensichtlich völlig unüblich; zumindest in den böhmischen und mährischen Beständen begegnet kein vergleichbares Beispiel. Das Siegel weist zudem Spuren einer Manipulation auf, die wohl im Zerschneiden eines ksl.en Majestätssiegels, der Anmodellierung einer wachsfarbenen Schüssel an der neu entstandenen Rückseite des Majestätsaverses und der Übertragung eines roten Sekretsiegels in die Rückseite dieser Schüssel als Rücksiegel bestanden haben könnte. Ist also die Urk. eine Fälschung Matthias und/oder Heinrich Schlicks, die im Unterschied zu Kaspar über keine besiegelten Blankette der Urkk. S.s verfügten?

Gegen diese auf den ersten Blick überzeugende Erklärung spricht jedoch die Tatsache, dass Matthias und besonders Heinrich die Praxis in der Kanzlei S.s gut kannten und daher kaum absichtlich eine derart ungewöhnliche Besiegelung gewählt hätten, bei der sie zudem sogar zwei echte Siegel verbraucht hätten. So scheint es wahrscheinlicher, dass die Manipulation mit dem Siegel wohl viel später, vielleicht erst durch die frühneuzeitlichen Schlick’schen Archivare vorgenommen wurde.

Eine zweite Besonderheit liegt in der Auszeichnungs- und Kontextschrift der Urk. (eine sorgfältige Textualis formata bzw. kuriale diplomatische Minuskel) sowie in deren in der Reichskanzlei unüblichem Initialenschmuck (eine die gesamte verfügbare Fläche zwischen dem Blattoberrand und der Plica ausnützende J-Initiale [Jn], im Binnenraum des Schafts befindet sich auf Höhe der ersten Textzeile ein mit einer kreuzbesetzten Doppelbügelkrone gekrönter Doppeladler; eine S-Initiale [Sigismundus]).1 Sowohl die Schrift als auch die Initialen weisen ganz eindeutig auf das kuriale Millieu zur Zeit Papst Eugens IV. hin.2 Es kann somit angenommen werden, dass die Urk. in Rom durch einen kurialen Schreiber mundiert und durch einen in Rom wirkenden Illuminator ausgeschmückt wurde, was während des Italienaufenthalts S.s gut vorstellbar ist; bei einer (jedenfalls nicht viel späteren) Fälschung wäre die kuriale Schrift kaum gewählt und die Urk. insgesamt in kanzleigemäßeren Formen hergestellt worden.

Die Urk. ist demnach zwar auffällig, aber trotzdem mit größter Wahrscheinlichkeit echt. Dafür sprechen auch das entsprechende Notat im Reichsregister S.s, das keine Zweifel erweckt, sowie der Inhalt und das Formular dieses Stücks, die ebenfalls völlig unverdächtig sind.

Anmerkungen

  1. 1Detailliert dazu mit Parallelbeispielen siehe Elbel – Zajic, Die zwei Körper, II, S. 147–151.
  2. 2Bei der Kontextschrift lassen stichprobenartige Vergleiche mit zeitnahen päpstlichen und kurialen Urkk. mit Vorsicht vielleicht auf Johannes (Augustini) de Nursia, decr. dr., als ausführenden Schreiber schließen – siehe ebd.

Nachträge

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Empfohlene Zitierweise

RI XI Neubearb., 2 n. 110, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/a6db817c-aee5-4ea2-ac9b-54972905131a
(Abgerufen am 29.03.2024).