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RI XIV Maximilian I. (1486/1493-1519) - RI XIV,4,2

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Konrad Celtis an KM =Maxmylianum ... Rhomanorum regem et Caesarem Augustum: (1) Celtis widmet KM seine quatuor libri Amorum, die Frucht zehnjähriger Wanderungen, als Zeichen dankbarer Ergebenheit für KM und das Haus Österreich, denn Kr Friedrich III. hat Celtis mit dem krl. Lorbeer ausgezeichnet. Celtis möchte dafür Würdiges leisten. KM hat ein Kollegium begründet (Bd III/1, Nr 12626) und diesem Kollegium sowie auch Celtis das Recht verliehen, Poeten zu erwählen, wie das auch in Rom üblich war. Celtis möchte KM zum Dank etwas sehr Würdiges widmen =quod dignum ... Christiani orbis imperatori foret; nicht alberne Scherze, an denen sich der Hof gerne erfreut =incomptis ... iocis, quibus aula se oblectare solet. KM möge Celtis zu etwas Größerem Mut machen, zu einem Maximilianwerk =Maximileiden, und zwar zur Bearbeitung seiner Annalen1), die KM von seinen Anfängen an verfaßt hat =per se scriptos a cunabulis annales. - (2) Gegenwärtig möge KM als Kleinigkeit die Amores gnädig annehmen. Darin werden die vier Landschaften (Regionen) Deutschlands mit ihren Stämmen und Kgren behandelt. Im Inneren Deutschlands am Elbestrom herrscht Kfst Friedrich Hg von Sachsen, ein großer Freund der Musen. Die Elbe war den Römern unbekannt und ist nun im Mittelpunkt des Imperiums wie die Donau, der Rhein, die Rhone, der Tajo und Duero (in Spanien) sowie der Tiber. Die Amores beschreiben die Erde, die Stellung der Sterne, weiters die Jahreszeiten, die Himmelszeichen, ihren Wandel und ihren Einfluß auf den Geist des Menschen. Man findet darin wie in der Germania Illustrata2) die Flüsse, Berge, Seen, Wälder, Sümpfe, Wüsten, Städte und die sieben Metropolen, die Heimat berühmter Männer, und die Taten großer Kr und Kge sowie die großen Kriege der jüngsten Vergangenheit und der Gegenwart. - (3) Celtis möchte auch allen Feinden und Verächtern der gelehrten Studien entgegentreten, die sogar in den Kirchen (gegen die Humanisten) Haß predigen und sie als Meister aller Laster verfolgen, indem sie sagen, nichts entfremde mehr von der christlichen Religion, als Poeten gelesen oder gehört zu haben =nihil a religione Christiana profanius sit quam poetas legisse vel audisse. Aber die verachteten Musen finden bei KM einen Beschützer und Vater, der wie ein anderer Caesar Augustus mit dem Röm. Reich auch Kunst und Wissenschaft der Römer und Griechen wiederherstellt. - (4) Vielen ist der plötzliche Wandel in den Wissenschaften lästig. Die Jugend aber erhebt sich und läßt sich von KM zum Studium einer "soliden" Philosophie und der Eloquenz anregen. Die jungen Leute lassen sich keinesfalls von der Lektüre der Amores abschrecken, denn unter den menschlichen Gefühlen ist die Liebe das natürlichste und mächtigste, das ihnen viel Gutes vermittelt, wenn man es nicht mißbraucht. Die Liebe ist ein göttliches Geheimnis. Auch über die häßlichen Seiten (der Liebe) wird man mit den jungen Leuten reden müssen. - (5) Über die Macht und Ohnmacht der Liebe findet Celtis das Beste bei Lucius Apuleius und bei Ovid (Amores, Metamorphosen), worin vom göttlichen Schöpfer und dessen Liebe zur Schöpfung die Rede ist. Er hat das Universum aus dem Chaos erschaffen und durch das Band der Liebe verbunden. Diese Liebe nennen die Philosophen den Anfang der Natur (Schöpfung); wir nennen ihn Gott, der den Menschen schuf und allen Lebewesen die Kraft der Liebe eingegeben hat. Den Menschen hat Gott in diesem Reich der Liebe den größten Anteil der Liebe gegeben. - (6) Die Liebe ist für Celtis ein Schöpfungsprinzip. Durch die Liebe ist die ganze Welt entstanden. So groß ist die Liebesbindung zwischen Himmel und Erde, daß sie die (alten) Dichter (symbolisch) durch Eheverbindungen der Götter (mit den Menschen) darstellten. Aristoteles nennt die Liebe die dritte Grundtatsache der Natur =tertium naturae principium. Allerdings mißbrauchen manche diesen übermächtigen Naturtrieb, denn das Schlechteste findet sich immer in Verbindung mit dem Besten. Der gleichen Blume kann man Honig und Gift entnehmen. - (7) Die heiligen Schriften des Alten Testamentes beschreiben den Wahnsinn der kranken Liebe und der Leidenschaft, welche David und Salomon ihre Würde vergessen ließen. Es würde zu weit führen, die Geschichte der Kge und Weisen dieser Welt zu verfolgen, welche die (kranke) Liebe verführte. Daher sollen die Rabulisten (Wortverdreher) Celtis über die wahre Liebe schreiben und lesen lassen. Denn er schreibt, was natürlich ist, wie alle Lebewesen gemäß dem Gesetz Gottes sich ausbreiten und erhalten. Mögen jene auf ihre Weise leben, die sich der Keuschheit, der Armut und dem Priestertum verschrieben haben; Celtis hält sich an das griechische Sprichwort: der Weise hält sich an die Liebe, der Törichte aber kasteit sich. - (8) Keiner dieser Dreckschleuderer =ex his blateratoribus wird Celtis deswegen beschuldigen können, daß er unter dem Ehrenschutz KMs vier Bücher über die Liebe herausgegeben hat. Celtis wollte nur junge Männer vor den Listen schlechter Frauen warnen, damit sie nicht in großes Unglück geraten. Wer Celtis' Gedichte über die Liebe liest, der lernt die Grenzen der Enthaltsamkeit und das rechte Maß einhalten. Vielleicht wird Celtis von gewissen Streithähnen wiederum vor Gericht3) gezogen, die ihm unzüchtige und aufreizende Gedichte unterstellen, welche unverdorbene junge Männer verführen. Darauf antwortet Celtis diesen Verleumdern nicht anders als die sächsische Dichterin Hroswitha (von Gandersheim) im Vorwort ihrer Komödien. Sie sollen darüber im Buch Job und in der Weisheit Salomos nachlesen. Diese ungerechten Richter mögen die ganz wenigen anzüglichen Gedichte vergleichen mit den großen Werken der antiken Schule, welche der sehr moralische Seneca lobte. Die Verse des Celtis über die Liebe sollten nicht trocken und nichtssagend sein, sondern durch die Mischung von Scherz und Ernst erfreuen. - (9) KM möge diese in zehn Jahren entstandene, mühsame Arbeit annehmen. Darin ist Deutschland =Germania mit seinen vier Landschaften auf einer kleinen (Land-)Karte =tabula dargestellt; ebenso die namhaften Ströme in Deutschland; desgleichen die Abstände zu den Meeren; ebenso der Besitz Deutschlands in Italien, Frankreich, Pannonien (Ungarn), Dacien (Rumänien) und Sarmatien (Polen), Länder, die zum Teil durch KM und die alten Deutschen gewonnen wurden. - (10) KM möge auch die neue und umfassende Beschreibung Deutschlands4) annehmen =accipe ... novam et generalem Germaniae ... carmine heroico descriptionem. - Außerdem hat Celtis ein Werk über die Stadt Nürnberg =Nurmberga, deren Ursprung, Lage, Einrichtungen, Sehenswürdigkeiten und zugleich eine Vita divi Sebaldi, des Stadtpatrons, dem Stadtrat von Nürnberg gewidmet und zugleich mit den Amores drucken lassen5). - Dazu kommt ein weiteres Werk von Celtis über den Hercynischen Wald =Hercynia silva6), der sich weit und breit über ganz (Mittel-)Deutschland erstreckt, über die dortigen Städte, Volksstämme, deren geheimnisvolle Orts- und Volksnamen, die von den Gelehrten erforscht werden. Diese in aller Welt wegen ihrer Ausdehnung bekannten Waldberge sollen anschaulich beschrieben werden. - Dazu kommt der Ludus Dianae (vgl. Bd III/1, Nr 11606) und ein Preisgedicht auf die Errichtung des Collegium poetarum et mathematicorum. Es gibt Leute, die sich rühmen, Frankreich, Spanien, beide Sarmatien (Polen, Rußland), Pannonien (Ungarn), ja sogar die Länder jenseits des Meeres (Neue Welt) gesehen zu haben. Celtis schätzt nicht weniger die deutschen Gelehrten, die ihr Vaterland, die Mundarten der einzelnen Volksstämme, deren Gesetze und Gewohnheiten, deren Frömmigkeitsformen =religiones, deren Charakter und deren Körperbau besonders beobachten. Dies alles will Celtis in seiner Germania illustrata, die noch nicht fertiggestellt ist =quae in manibus est, mit Hilfe der besten Köpfe Deutschlands7) unter dem Schutz und der Hilfe KMs, seines Stolzes und Schutzherrn =Romani Imperii dignissimus rector et arbiter, nostrumque perpetuum ornamentum et praesidium, in vier Büchern auf vier besonderen Karten der (deutschen) Volksstämme darstellen =quatuor libris, particularibus gentium tabulis explicemus. Ex Nurmberga diversorio nostro litterario, aedibus Vilibaldi Pirkhamer, patricii et senatorii ordinis ...

Überlieferung/Literatur

ED: Rupprich, Briefwechsel Celtis, 494-503, Nr 275. - NB: 1) Die Bearbeitung seiner Lebensgeschichte, die Celtis gerne übernommen hätte, übertrug KM seinem Sekretär J. Grünpeck; dazu H. Wiesflecker, Joseph Grünpecks Redaktionen der lateinischen Autobiographie Maximilians. In: MIÖG 78 (1970), 416-431. - 2) Auch die Amores sind, soweit dies bei einem ganz anders gearteten Gegenstand möglich ist, dem Thema der Germania Illustrata eingeordnet. - 3) Celtis' Ausfälle gegen die Mönche führten tatsächlich zu einem Prozeß an der Wiener Universität; dazu Wiesflecker, Österreich im Zeitalter Maximilians I., 401 f. - 4) Die Anfänge der Germania Illustrata reichen bis 1491-95 zurück und sind verbunden mit dem Plan der Verbesserung der Weltchronik des H. Schedel; sie war eine Kompilation ohne Originalität, aber wegen des fesselnden Themas und der schönen Holzschnitte ein großer Buchhändlererfolg. Mit der Übersiedlung nach Wien übertrug Celtis den Plan seiner Germania Illustrata, dem er viele andere Arbeiten einordnete, nach Wien und unterstellte sie den wissenschaflichen Unternehmungen und damit der besonderen Förderung KMs. Nach Celtis' Tod hat sich zwar Pirckheimer der Sache angenommen, aber das Werk blieb unvollendet. - 5) Im Jahr 1502 sind zwei fast identische Ausgaben dieses Sammelbandes erschienen, der die Amores, eine Germania generalis, die Norimberga, die Vita Sancti Sebaldi, den Ludus Dianae, das Privilegium erectionis Collegii poetarum et mathematicorum, einen Panegyricus pro erecto Collegio und mehrere Briefe des Celtis in dieser Sache enthält. Der Sammelband wurde bei Hieronymus Höltzel in Nürnberg gedruckt und über Vermittlung des M. Lang von KM bezahlt. - 6) Celtis verstand darunter wie die Antike das gesamte mitteldeutsche Waldgebirge vom Rhein bis zum Erzgebirge (Bayerischer Wald, Frankenwald, Thüringer Wald, Harz =Hercynia). - 7) 1497 November 1 Wien: Celtis lädt Fuchsmagen und Krachenberger als die Häupter der gelehrten Donaugesellschaft ein, an seinen großen kosmographischen Unternehmungen, zumal an der in Arbeit befindlichen Germania Illustrata, mitzuarbeiten (ED: Rupprich, Briefwechsel Celtis, 294 ff., Nr 179).

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Empfohlene Zitierweise

RI XIV,4,2 n. 19642, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/1502-00-00_3_0_14_4_1_104_19642
(Abgerufen am 25.04.2024).