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[RI XIII] Friedrich III. (1440-1493) - [RI XIII] Suppl. 1

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Hz. M. und Maria erneuern und erweitern einige Ordonnanzen der Hzz. Philipp [des Guten] und Karl [des Kühnen] zur Amtsführung und Rechnungslegung der officiers van iusticien des Hzt. Brabant, da zahlreiche Mißbräuche eine ordnungsgemäße Rechtsprechung zum Nachteil der Untertanen und des gesamten Hzt. gefährdeten1. 1. Keinem Mörder oder anderem todeswürdigem Rechtsbrecher soll gegen Geld Straferlaß oder Minderung (remissie) gewährt werden. Das Recht zur Begnadigung, und zwar ohne finanzielle Gegenleistung, steht im Hzt. Brabant nur Hz. M. und Maria zu. 2. Alle Mörder oder sonstigen Rechtsbrecher sollen der ordentlichen Gerichtsbarkeit der Hzz. oder, in ihrem Auftrag, ihres Rates zugeführt, statt ihr durch Geldleistungen entzogen zu werden. Sollten die Betroffenen dennoch um ein Kompositionsverfahren nachsuchen, so ist dieses Begehren zunächst schriftlich und mit genauen Angaben zum Tathergang an die Brüsseler Rechenkammer zu richten. Diese hat das Gesuch dann an die Amtsträger des Tatorts und des Heimatortes der Betroffenen zwecks genauer Erkundung der Tat und der Vermögensverhältnisse der Beschuldigten sowie der Bitte um Vorschläge für das weitere Vorgehen zu übersenden. 3. Alle Verbrechen und Vergehen, auch diejenigen, die kein Gerichts- oder Kompsitionsverfahren auslösten, sowie alle nicht abgelösten Strafen, sind in den Rechnungen der officiers zu verzeichnen, damit die Rechenkammer zur Wahrung der hzl. Rechte stets über alle Vorgänge informiert ist. Die officiers sollen todeswürdigen Rechtsbrechern sowie Verbannten und Flüchtigen kein Geleit gewähren, falls dadurch nicht näheres zum Tathergang und zur Aufklärung des Verbrechens entdeckt werden kann. Das Geleit soll längstens drei Wochen gelten, sofern die Mitarbeiter der Rechenkammer nichts anderes bestimmen. 4. Verstümmelungsstrafen sind nur durch Zahlung von mindestens 60 royalen abzulösen, andere Verbrechen in der Höhe, wie es seit alters her üblich ist. Im Falle unvermögender Personen sollen die officiers den Anweisungen der Rechenkammer folgen. 5. Beschlagnahmte Güter dürfen nur in Ausnahmefällen und mit Wissen und Anweisung der Rechenkammer verkauft werden. 6. Über alle an die officiers van iusticien, den drossaet von Brabant und alle weiteren zuständigen Amtsträger geleisteteten Kompositionszahlungen sind besiegelte Briefe auszustellen, die die Summen nachweisen. Die Zahlungen sind binnen 15 Tagen persönlich in der Brüsseler Rechenkammer zu leisten. Die Briefe sind von der Rechenkammer mit einem unentgeltlichen Rückvermerk zu versehen, der die Zahlung nachweist. Nach Ablauf der Frist verlieren die Briefe jeden Wert, die Säumigen sollen so verfolgt werden, als seien diese niemals ausgestellt worden. 7. Sind Verbrechen begangen worden, so sollen diese sowohl dann, wenn als Zeugen Bürger, sinte peeters mannen2 oder meysmeluden aussagen können, als auch, wenn Zeugen dieser Qualität fehlen und andere Personen befragt werden müssen, durch den officier des Tatortes dem officier des Wohnortes des Delinquenten mitgeteilt werden, damit ein Strafverfahren eingeleitet werden kann. Kompositionszahlungen sollen zu gleichen Teilen an den officier, der das Vergehen aufgedeckt, und denjenigen, der es untersucht hat, gehen. Beide sind zur Rechnungslegung vor der Rechenkammer verpflichtet. 8. Die Amtsträger sollen keine Brüchten, Pfänder oder correctien annehmen, es sei denn, die Rechenkammer lasse Ausnahmen zu. 9. In Zivilsachen sollen die Amtsträger nur die in den Urteilen genannten Taxen erheben, in Strafsachen erhalten sie sechs rheinische Gulden. 10. Die principalen officiers des Hzt. Brabant, der meyer von Löwen, der amman von Brüssel, der schoutet von Antwerpen und der merckgreve des Landes Rijen, der schouthet von ’s-Hertogenbosch, der meyer von Tienen und der baillen des walsschen Teils des Hzt. sollen nicht in zivile Streitfälle eingreifen, die durch Kompositionszahlungen zu lösen sind. Diese fallen in die Kompetenz der officiers particuliers, die auch die Brüchten erhalten. 11. Die officiers sind gehalten, jeder ihrer Rechnungen Belege über die Anteile der Städte, Freiheiten und kleineren Herren an den Erträgnissen der von ihnen ausgeübten Gerichtsbarkeit beizufügen. 12. Sie sind gehalten, Kriminal- und Zivilsachen unverzüglich anzugehen. Säumige Amtsführung ist durch Kanzler und Rat des Hzt. Brabant zu ahnden. 13. Die officiers sind bei jeder Übergabe ihrer Rechnungen durch die Amtsträger der Rechenkammer eidlich zu verpflichten, diesen alle Verstöße gegen herzogliche Hoheits- und Herrschaftsrechte mitzuteilen. 14. Die officiers sind von nun an gehalten, ihre gesamten Einkünfte ohne Abzüge offen zulegen. Unredlichkeiten sind durch Kanzler und Rat von Brabant mit Amtsverlust zu ahnden, Fehlbeträge sind zu ersetzen, je nach Lage des Falles drohen weitere Strafen. Die Amtsträger haften gleichfalls für Unredlichkeiten ihrer Frauen, Stellvertreter, Diener und ihres gesamten Personals. 15. Nach Anweisung und mit Zustimmung der Rechenkammer und unter Wahrung der hzl. Interessen dürfen die officiers Personen zu Bürgern erklären und Bastarde legitimieren. 16. Die officiers sind gehalten, wie bisher üblich jährlich eine inquisitie oder informatie durchzuführen und alle Rechtsbrecher zu Verfahren heranzuziehen. 17. Den jährlichen Rechnungen sind Kopien aller der durch die officiers erlassenen Ordonnanzen, ferner aller Gesetze der Städte und Orte ihres Amtsbereichs beizufügen, damit deren Rechtmäßigkeit durch die Rechenkammer überprüft und bestätigt werden kann. Vor Abschluß jeder Rechnung sind die officiers verpflichtet, deren Richtigkeit eidlich zu bestätigen. Dies ist am Schluß der Rechnung durch die Kammer zu vermerken. 18. Alle officiers particuliers van justicien sind gehalten, den principalen officiers ohne Verzug alle Verbrechen gegen Leib und Leben bei Strafe des Amtsverlusts zu melden. 19. Die principalen officiers van justicien sollen von nun an keine aus ihrer Amtstätigkeit anfallenden wedden mehr erhalten, sondern an deren und anstelle aller anderen Amtseinkünfte, die sie vor [14]51 erhielten und über die sie bis auf den Abzug des Gehalts zur Rechnungslegung verpflichtet waren, mit Ausnahme der aus Erbschaften und Erbrenten herrührenden Einnahmen, die in ihren Rechnungen aufscheinen müssen, nur noch folgende Einkünfte erhalten: Der meyer von Löwen, der amman von Brüssel und der schouthet von Antwerpen sollen den vierten Teil ihrer Einnahmen behalten dürfen, desgleichen der schouthet von Turnhout, obwohl er keine wedden erhielt. Der merckgreve des Landes Rijen (Rijen), der schouthet von ’s-Hertogenbosch, der baillieu des walschen Teils des Hzt. Brabant und der meyer von Tienen sollen den dritten Teil ihrer Einnahmen, der onderschouthet von ’s-Hertogenbosch den fünften Teil behalten können. 20. Alle weiteren officiers van justicien, die meyer von Heverlee (Hauere), Lubbeek ( Libbecke), Vilvoorde (Vilvoirden), Rode3, Merchtem (Merchtene), Kampenhout (Campenhout), Asse-ter-Heide (Assche), Hoeilaart (Hoolaer), Kapelle-op-den-Bos (Capellen op den Bossche), die schoutheten von Lier (Liere), Herentals (Heerentals), Kontich (Conticke), Waterland, des Landes Rijen (Rielant), Zandhoven (Santhouen), des Kempenlandes (Kempelant), des Peellandes (Pedelant), des Maaslandes (Maselant) und von Oisterwijk (Oisterwyck), die meyer von Geel (Gheelen), Kumtich (Cumptich), Halen (Halen), Lummen (Lummen) und Zoutleeuw (Leeuwe), die baillies von Jodoigne (Geldenaken) und Hamme (Hamme), die meyer von Incourt (Incourt), Orp-le-Grand (Orp le grand), Genappe (Genepen), Grez-Doiceau (Graven), Geest-Gérompont (Gest a Geropont), Jandrain (Jandrain), St. Jean-Geest (Jehan Geest), Terhulpen (Hulpen) und alle weiteren, die negheene kennisse en hebben dan vanden civilen, sollen über die Erträgnisse dieser Verfahren Rechnung legen und den dritten Teil der jeweiligen Einkünfte behalten. Kriminelle Personen sollen sie ergreifen und dafür von den in diesen Fällen mit der Rechtsprechung beauftragten principalen officiers den zehnten Teil der verhängten Kompositionszahlungen erhalten. 21. Auch die officiers van justicien von Ouermaze, die früher den zuständigen Rentmeistern ihre Einkünfte gegen eine certifficatie übergaben, damit diese der brabantischen Kammer darüber Rechnung legten, sind von nun an verpflichtet, ihre Rechnungen wie die anderen officiers persönlich in der Rechenkammer vorzulegen. 22. Alle officiers van justicien müssen künftig ihren Amtseid vor der Rechenkammer in der dort festgelegten Form leisten und der Kammer den Tag ihres Amtsantritts mitteilen, damit diese ihre borchtocht vornehmen und den Amtsinhaber über seine Rechte und Pflichten in der Wahrung der hzl. Herrschaftsrechte informieren. 23. Die Rechenkammer wird beauftragt, im Namen des Hz. die Amts- und Rechnungsführung aller officiers zu überwachen. Fehlbeträge gehen zu Lasten der Amtsträger. Die Kammer und Kanzler und Rat von Brabant sollen Unregelmäßigkeiten, die anläßlich einer inquisitie aufgedeckt werden, in den Rechnungen vermerken und Verstöße korrigieren. Hz. M. befiehlt Kanzler und Rat, den Mitarbeitern der Rechenkammer und allen richters ende officiers des Hzt. Brabant und deren Stellvertretern, diese Verfügungen zu achten und ihre Einhaltung durch andere einzufordern. Insbesondere befiehlt er den Mitarbeitern der Rechenkammer, alle betroffenen officiers unverzüglich von dieser Ordonnanz zu unterrichten, deren Einhaltung zu überwachen, die Betroffenen bei der Übergabe jeder Rechnung erneut auf sie zu verpflichten und die bei Zuwiderhandlungen drohenden Strafen in Erinnerung zu rufen.

Originaldatierung:
Den negenentwintichsten dach der maend van novembri
Kanzleivermerke:
KVr: By mynen heere den hertoge ende mynre vrouwen der hertoginne; Dynter4 (nach Kop.).

Überlieferung/Literatur

Kop. im AGR/AR Brüssel (Sign. Mss. div. 33, f. 304r-307v) (15./16. Jh.); mnl. – desgl., ebd. (Sign. Mss. div. 295 f. 100r-111r) (16. Jh.); mnl. – Archireg., ebd. (Sign. Mss. div. 1277, f. 77v) (18. Jh.); nl. Reg.: Verkooren, Brabant, Limbourg 1470-1490, sub dato, (sehr knapp) unter Hinweis auf das unter den „Chartes de Brabant“ erhaltene Original, sowie der Information, daß die Überlieferung in einem Register der Rechenkammer (Sign. CC n. 135, f. 103ff.) unvollständig sei, nebst Hinweis auf eine weitere Überlieferung in einem zeitlich nicht näher bestimmten „Recueil de pièces diverses“, das am 30. Januar 1732 der Brüsseler Rechenkammer durch ein Mitglied des Jesuitenordens übergeben worden sei.

Anmerkungen

  1. 1Zählung von der Bearbeiterin eingeführt.
  2. 2Die Sint-Peetersmannen entstammen Patriziergeschlechtern der Stadt Löwen. Den Zeugenaussagen dieses Personenkreises kam offenbar besondere Qualität zu. Vgl. Emstede, Glossarium Iuris Brabantici, S. 2271. – Uytven, Löwen, S. 217-224.
  3. 3Es ist nicht zu entscheiden, ob Sint-Agatha-Rhode oder Sint-Genesius-Rhode gemeint ist.
  4. 4Auf Mss. div. 33. Der bei Verkooren genannte KVr des Org. hat Ruter, desgl. Mss. div. 295. Dies ist wahrscheinlich die zutreffende Lesung.

Nachträge

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Empfohlene Zitierweise

[RI XIII] Suppl. 1 n. 55, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/1478-11-29_1_0_13_0_2_55_55
(Abgerufen am 29.03.2024).