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RI VI Rudolf I. - Heinrich VII. (1273-1313) - RI VI,4,1

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König Heinrich erlaubt den Ratsleuten und Bürgern von Überlingen, seinen Getreuen (.. con­sulibus et civibus in Vberlingen, fidelibus suis dilectis), auf deren Bitten nach dem Vorbild des verewigten Königs Albrecht [I.], seines Vorgängers (ad instar dive recordacionis Alberti Romanorum regis, antecessoris nostri), in seiner Stadt Überlingen bis auf Widerruf die »Zunft« zu haben (ut zunftam in civitate nostra Vberlingen habere possitis [...], presentibus ad nostrum beneplacitum duraturis). – Prudentibus viris .. consulibus et civibus [...]. Vestris peticionibus annuere cupientes.

Originaldatierung:
dat. Vlme, II idus Iunii

Überlieferung/Literatur

Überlieferung: Original (Pergament, beschädigtes Königssiegel an Pergamentstreifen) Karlsruhe GLA D 156. – Faksimile: Sybel/Sickel, Kaiserurkunden in Abbildungen 8 (1887) Tafel 8b. – Drucke: Böhmer, Acta imperii selecta (1870) S.421 Nr.592 aus Karlsruher Mitteilung von Gustav Wilhelm Hugo; Geier, Oberrheinische Stadt­rechte 2 II (1908) S.31f. Nr.4 aus dem Or. – Regesten: Mone, Zusätze (1836) Sp.196; Böhmer, Heinrich VII. (...1844) Nr.99; Roth von Schreckenstein, Ueberlingen (...1869) Abt.A Nr.7; Wauters, Table chronologique 8 (1892) S.345; Sybel/Sickel a.a.O. 8 (1887) Text S.270 Nr.8b.

Kommentar

Das nur siebenzeilige querformatige Stück dient als »Beispiel eines in geringer Form ausgestellten Privilegs (kleine Corro­bo­ra­tion ohne ein Merkmal der vollen Form)«; Sigmund Herzberg-Fränkel in: Sybel/Sickel a.a.O., Text S.270. – Die er­wähn­te Erlaubnis König Al­brechts I. gilt als Deperditum. Um so stärker verblüfft, daß schon Konkurrenzkönig Fried­rich der Schöne unter dem 17. April 1315 in Konstanz nur das Heinricianum wiederholte, obgleich er Wert darauf legte, ad instar Alberti genitoris et Heinrici Romanorum regum predecessorum zu handeln; Geier a.a.O. S.32 und Gross, Regesta Habs­bur­gi­ca 3 (1922ff.) S.25 Nr.184. Damit wird die Hypothese suggeriert, erst Heinrich VII. habe eine derartige »Zunft­urkunde« aus­gestellt; anders die bisherige Forschung, insbesondere Geier a.a.O. S.32 sowie K.O. Müller, Oberschwäbische Reichs­städte (1912) S.160 und Hafen, Verfassungsgeschichte (1920) S.25. Die weitere Traditionsbildung legte allerdings Wert auf den früheren Herrscher: Schon Kaiser Ludwig der Baier wiederholte am 28. August 1330 nur das Fridericianum von 1315 und mit bloßem Rekurs auf König Albrechts I. Vorbild; Acht/Wetzel, Baden (1994) Nr.124 mit Verweis auf den Druck bei Hugo, Mediatisierung (1838) S.383 Nr.100. Auch Karl IV. urkundete unter dem 26. Januar 1348 lediglich ad instar Alberti regis; Böhmer/Huber (1877) Nr.565 mit Verweis auf das Regest bei Roth von Schreckenstein,a.a.O. Abt.A Nr.12. – Im Zusammenhang mit einer Überschau über die älteste Urkundenüberlieferung und mit der Edition des Stadt­rechts von Über­lin­gen ist die Deutung vertreten worden, das Heinricianum habe zur urkundlichen [!] Absicherung jener Überlinger Ge­schlech­tergesellschaft gedient, die später als »Löwen« bekannt wurde; vgl. Roth von Schreckenstein a.a.O. S.20 zu Nr.7 und Abt.B S.427 zu Regest Nr.5 sowie Geier a.a.O. S.32 mit dem Terminus »Geschlechterzunft« und hierzu Hafen a.a.O. S.25 sowie Alfons Semler in: Badisches Städtebuch (1959) S.394 Sp.2 § 8a und Eitel, Oberschwäbische Reichsstädte (1970) S.38f. Demgegenüber denkt K.O. Müller a.a.O. S.160f. an die »Einführung einer neuen Verfassung [mittels] Orga­ni­sa­tion der [ganzen] Bürgerschaft nach Zünften [samt] Änderung in der Zusammensetzung des Rates«, und dem folgt Eitel a.a.O. S.18f. Semler, Abriß der Stadtgeschichte (1953) S.14f. versteht darunter die Ablösung der Ge­schlech­terherrschaft durch eine Ratsmehrheit von Zünfte-Mitgliedern im Verhältnis »Zünfte – Geschlechter« von ungefähr 7:1 seit der Großen Ai­nung von ca. 1300; ähnlich ders. in: Badisches Städtebuch (1959) S.395 §§ 9a-c, wo jedoch S.394 Sp.2 § 8a die Siebenzahl der Zünfte erst seit 1426 nachgewiesen wird. Auch Brummer, Streifzug (…1989) S.6 sieht diese Siebenzahl erst für die Stadt­regierung seit 1426 fixiert, ansonsten aber den Kondominat mit zunächst fünf Zünften schon um 1300 durch jene große ainung festgeschrieben; vgl. Götz, Überlingen (…1995) S.729. Demgegenüber ist festzuhalten, dass eine Verfas­sungs­ver­ein­ba­rung dieses Namens nicht überliefert ist – allerdings auch keine Zunft- oder Bürgerkämpfe in Überlingen. Wohl aber ist im älte­sten Überlinger Stadtrecht die grossun ainung o.ä. Terminus für höheres Bußgeld als bei »ein­facher« ainung; Geier a.a.O. S.14f. §§ 55, 59 und 63 bzw. S.5 und 7 §§ 17f. und 26f. Feger, Bodenseeraum 2 (1958) S.340 wertet »das merk­wür­di­ge Recht ›eine Zunft zu haben‹« denn auch nur als »die Erlaubnis, sich eine eigene städtische Sat­zung zu geben«, und scheint dies sogar zu widerrufen, wenn er ebd.3 (1963) S.15 resümiert »Wir wissen nicht, was damit gemeint war«. Demgegenüber dürfte zunftam […] habere auch die Erlaubnis umfaßt haben, an jenem umfangreichen Über­linger Stadtrecht weiterzu­ar­bei­ten, das seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert »auf einem aus mehreren Stücken zusammen­ge­hefteten Pergamentrodel von 2,73 m Länge und 29 cm Breite [bis] in das 15. Jahrhundert« hinein festgehalten worden ist und in der Edition bei Geier a.a.O. S.1-28 als Stadtrecht I insgesamt 104 Paragraphen umfaßt – dies gegen irreführende »120 Para­graphen« bei Bühler, Gang durch die Geschichte (…1970) S.24 Sp.1. – Im Spätsommer 1308 hatten in Überlingen der Ammann, der Bürger­mei­ster, der Rat und der [!] Zunftmeister mit Willen und Wissen der Bürgergemeinde das Sagen, als die Gewährung eines Kirch­bau­platzes für die Minderbrüder erlaubt wurde; Roth von Schreckenstein a.a.O. Abt.B Nr.5 von 1308 IX 29 [Regest] und ebd. S.425ff. [Text]: […] wir Ůlrich der amman, Ůlrich an dem Orte der burger maister, der râth gemainlich und de[r] zunft maister zu Úberlingen […] mit der gemainde únser burger willen und wissende […]. Daß Hein­rich VII. seine formal unspek­ta­kuläre Privilegbestätigung nur auf Widerruf gewährte, wird darauf zurückgeführt, daß durch die zünftische Verfassung »die bis­herige, hervorragende Stellung des [königlichen] Ammanns wesentlich eingeschränkt« wurde; K.O. Müller a.a.O. S.159f., Zitat S.160, und zu Ammann Ulrich ebd. S.157f. A.2. – Eine städtische Vereinigung wie die oben erwähnte Gesell­schaft der Lew wird übrigens per definitionem ausgeschlossen aus dem systematischen Verzeichnis der »Ritterorden und Adels­gesellschaften« von Kruse/Paravicini/Ranft (1991), so daß sie nichts zu tun hat mit den hier beschriebenen drei Löwen-Gesellschaften seit 1379, von denen zwei auch behandelt werden bei Ranft, Adelsgesellschaften (1994) S.197-201, 207-210 und 237.

Nachträge

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Empfohlene Zitierweise

RI VI,4,1 n. 187, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/1309-06-12_1_0_6_4_1_229_187
(Abgerufen am 28.03.2024).