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RI IV Lothar III. und ältere Staufer (1125-1197) - RI IV,1,2

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Konrad und König Ludwig VII. von Frankreich stimmen dem von Beratern, die Verrat üben, vorgeschlagenen Abzug des Heeres vor die östliche Stadtseite zu, da Damaskus von Westen her uneinnehmbar, im Osten aber angeblich weder durch Gärten noch andere Hindernisse, sondern nur durch eine niedrige, leicht zu überwindende Mauer geschützt sei. Über die Identität und Motive der Verräter liegen unterschiedliche Zeugnisse vor.

Überlieferung/Literatur

Brief Konrads an Wibald von Stablo von 1148 nach September 8 Reg. 571; Wilhelm von Tyrus, Chron. 17 c. 5 766; John of Salisbury, Hist. Pontificalis c. 25 56f. Die Ann. Palidenses, MGH SS 16 83, sprechen davon, daß König Balduin und der Patriarch Fulcher mit ihren Truppen das Lager verließen acsi demonstraturi commodiorem urbis accessum. – Von Verrat als der Ursache für das Scheitern der Belagerung berichten mit oft sichtlich unzutreffenden Details: die Ann. Brunwilarenses, MGH SS 16 727, in denen ebenfalls Balduin und der Patriarch beschuldigt werden; Balduin allein nennen die Ann. Magdeburgenses, MGH SS 16 190; Ann. Rodenses, MGH SS 16 719; Michel le Syrien, Chronique 3 276; Anonymous Syriac chronicle 299; Bar Hebraeus, Chronography 274. – Die Templer bezichtigen: Ann. Herbipolenses, MGH SS 16 7; Chron. quae dicitur Hugonis de S. Victore Cont. Romana, MGH SS 24 98; Notae Pisanae, MGH SS 19 266; Chronik Petershausen L. V, c. 30 228; Ralph of Coggeshall, Chron. Anglicanum 12; Gervase of Canterbury, Chronik 137. – Die einheimischen Franken insgesamt oder einige von ihnen nennen: Sigeberti Gemblacensis chron. Cont. Praemonstratensis, MGH SS 6 454; Gerhoch von Reichersberg, De investigatione Antichristi, MGH Libelli de lite 3 145f.; Ex Chronico coenobii S. Medardi Suessionensis 278; Ex Nicolai Ambianensis Chronico 22; Ann. Casinenses, MGH SS 19 310; Roger of Wendover, Chronik; Matthew Paris, Chronica majora 183; Robert of Torigni 155; Vinzenz von Beauvais, Speculum Historiale XXVII c. 87 1127.

Kommentar

Die widersprüchlichen Quellenaussagen haben über die Gründe für den Abbruch der Belagerung von Damaskus eine Vielzahl von Hypothesen entstehen lassen. Daß eine Täuschung der abendländischen Kreuzfahrer dafür verantwortlich war, wird nur von Forey, Failure 13–23, in Abrede gestellt, der den vom arabischen Zeitgenossen Ibn al-Qalanisi überlieferten Widerstand der Damaszener und beginnende Versorgungsmängel als Ursache für das Scheitern der Belagerung und die Nachrichten über den Verrat als Ausrede ansieht. Den Bericht Ibn al-Atirs und einiger vermutlich auf ihm beruhender anderer arabischer Quellen, wonach das Herannahen der Heere der Herrscher von Mossul und Aleppo, Saif ad-Din und Nur ad-Din (von dem al-Qalanisi nichts weiß), die Christen zum Abbruch der Belagerung veranlaßt habe, betrachtet Forey dagegen als erfunden. – Hinsichtlich der Motive der Verräter gibt Wilhelm von Tyrus an, auch nach intensiven Nachforschungen keine sichere Aussage machen zu können, und führt drei Varianten der Antworten an, nämlich 1. das Hintertreiben des Unternehmens durch Raimund von Antiochia; 2. Bestechung, was auch zahlreiche abendländische und christliche syrische Quellen berichten, sowie 3. der Unmut der einheimischen Barone über das Versprechen der Könige, Damaskus nach seiner Eroberung dem Grafen Dietrich von Flandern zu überlassen. Namen der Verdächtigen nennt Wilhelm nicht, in den abendländischen Quellen werden entweder allgemein die orientalischen Franken genannt oder aber die Templer und König Balduin III., von einigen auch der Patriarch Fulcher und die Johanniter. – In der Forschung wurden ebenfalls die verschiedensten Auffassungen vertreten, meist wurde das Herannahen der Entsatzheere gemeinsam mit einem der anderen in den Quellen genannten Motive verantwortlich gemacht, siehe u.a. Bernhardi, Konrad III. 671ff; Grousset, Histoire des croisades 2 265f.; Runciman, History of the Crusades 283f.; Berry, Second Crusade 509; Waas, Kreuzzüge 1 148; Elisséeff, Nur Ad-Din 42ff.; Prawer, Royaume Latin 386; Cahen, Orient 100ff; Mayer, Geschichte 96f.; Richard, Histoire 179. In kritischer Auseinandersetzung mit Foreys These hat Niederkorn, Traditio 57–69, aufgrund von Konrads Aussage im Brief an Wibald von Stablo Reg. 571, die Verräter seien diejenigen gewesen, von denen er es am wenigsten erwartet hätte (traditio, a quibus minime cavimus … facta est), die Auffassung vertreten, daß König Balduin, der Patriarch und der Templermeister, die ursprünglichen Initiatoren des Unternehmens (siehe Reg. 547), durch die Täuschung von Konrad und Ludwig dessen Abbruch erzwangen, weil die von Balduin davon erhofften positiven Auswirkungen in seinem Machtkampf mit seiner Mutter Melisende durch die Verärgerung seiner Barone wegen der geplanten Überlassung von Damaskus an Dietrich von Flandern in das Gegenteil umzuschlagen drohten (über einen möglichen einheimischen Gegenkandidaten, Guy II. von Beirut vgl. Mayer, Wheel of Fortune 865). Konrad und Ludwig hätten aber darauf verzichtet, Balduin und seine Ratgeber des Verrats zu bezichtigen, weil diese ihnen anboten, mit ihnen gegen Askalon zu ziehen und ihnen so doch noch den dringend benötigten militärischen Erfolg zu ermöglichen. Köhler, Allianzen 204–207, tritt in Auseinandersetzung mit der diesbezüglichen Quellenkritik Foreys (aber in Unkenntnis der These Niederkorns) für die Glaubwürdigkeit der Berichte vom Aufbruch der Heere von Aleppo und Mossul in Richtung Damaskus und die damit verbundene Entscheidung zum Abbruch der Belagerung ein. Hoch, Jerusalem 133, faßt seine Sicht der Dinge dahingehend zusammen, daß der Angriff offenbar ohne militärische Notwendigkeit auf Initiative von Jerusalemiten abgebrochen wurde, der hierfür verantwortliche Personenkreis und dessen Beweggründe aber nicht mit Sicherheit erschlossen werden können.

Nachträge

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Empfohlene Zitierweise

RI IV,1,2 n. 562, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/1148-07-27_1_0_4_1_2_564_562
(Abgerufen am 25.04.2024).