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RI IV Lothar III. und ältere Staufer (1125-1197) - RI IV,1,1

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Lothar bestätigt dem Kloster St. Vitus zu Corvey kraft königlicher Gewalt (regali auctoritate) auf Bitte des Abtes Volkmar den Verzicht von Herzog Heinrich von Bayern und der Gräfin Eilika mit deren Sohn Albrecht (Adelberto) auf die dem Kloster von Kaiser Ludwig übertragene Fischerei, die Hǒcwar genannt wird, welche diese, nachdem sie die Unrechtmäßigkeit ihres Besitzes erkannt, zurückgestellt hätten, bedroht die Verletzer seiner Verleihung mit einer Strafe von einhundert Talenten Goldes (C auri talenta), sichert dem Kloster den Besitz <auch der zur Fischerei gehörigen Orte mit ihren Leuten (villas cum hominibus ad eandem piscationem pertinentes) und> mit allem Zubehör zu und legt fest, daß zum Vogt über jene Fischerei nur derjenige gesetzt werden soll, den der Abt nach Rat der Mönche dazu bestimmt. - Ekkehardus prepositus vice cancellarii recognovi; unter Verwendung der zu Anfang des 12. Jh. gefälschten Urkunde Ludwigs d. Fr. BM2 900 (VU.) unter Beteiligung von Ekkehard A = Bertolf im wesentlichen außerhalb der Kanzlei verfaßt. Considerantes regalis esse.

Originaldatierung:
(Mo Co tricesimo tercio, indictione XIa, Bardewich)

Überlieferung/Literatur

Verfälschung; Kop.: Nordrhein-Westfälisches Staatsarchiv Münster, Corvey, Urkunden Nr. 49, Undatierter Original-Transsumpt der Konsuln von Höxter, 14. Jh. (B). Ebenda, Ms. I134, Corveyer Kopialbuch, 15. Jh., S. 185 (C). Ebenda, Ms. I147, Corveyer Kopialbuch, 17. Jh., S. 141-142 (D). Niedersächsisches Staatsarchiv Wolfenbüttel, IV Hs 53 Bd. 1, Abschriften des J.Fr. Falke, 18. Jh., S. (alt) 527 (neu: zwischen S. 260 und 261) (F). Drucke: Nicolaus Schaten, Annalium Paderbornensium pars 1, Neuhusii 1693 S. 736. Origines Guelficae tom. 2, Hanoverae 1751 S. 516 Nr. 66. Johannes Fridericus Falke, Codex traditionum Corbeiensium, Lipsiae et Guelpherbyti 1752 S. 341. Heinemann, Cod. dipl. Anhaltinus 1 S. 167 Nr. 216. R. Wilmans, Die Kaiser-Urkunden der Provinz Westfalen 777-1313 Bd. 2, Abth. 1, bearb. F. Philippi, 1881 S. 284 Nr. 216. DLo.III. 62. Reg.: H.A. Erhard, Regesta Historiae Westfaliae 2,1851 S. 8 Nr. 1549. Krabbo, Regesten Brandenburg Nr. 25 (zu 1133). Stumpf 3292 (zu 1134).

Kommentar

Zur Beurteilung von Überlieferung und Authentizität der Urkunde vgl. HIRSCH/ OTTENTHAL, DLo.III. 62, Vorbemerkung, und HAUSMANN, DKo.III. 133, Vorbemerkung, der das Diplom ohne nähere Kennzeichnung für verfälscht hält. Die Arenga, die Poenformel, die Corroboratio, Teile der Dispositio und des Vogtwahlpassus sind weitgehend gleichlautend mit den entsprechenden Formularteilen des Reg. 402 für das Stift Segeberg, das wie unser Diplom in Bardowick mundiert worden ist. Der gleichzeitigen Ausfertigung beider Urkunden scheinen die Jahresangaben der vorliegenden Urkunde zwar zu widersprechen. weil ihr Inkarnationsjahr und ihre Indiktion auf 1133 führen. Jedoch hat die Kanzlei im April und Mai 1134 die Indiktion um eine Einheit zu niedrig, also statt richtig "12" falsch "ll", gezählt, vgl. Reg. 391, 394, 404, 405, und E. v. OTTENTHAL, Die gefälschten Magdeburger Diplome und Melchior Goldast, in: SitzungsberrAkad.Wien 192, 5. Abh. 1919 (1921) S. 17f., womit die Überlieferung einen Fehler des Kapellan-Notars Ekkehard A = Bertolf bewahren und lediglich ein um ein Jahr zu niedriges Inkarnationsjahr bieten dürfte. Die Verstümmelung der Rekognition und das Fehlen der Signumzeile werden der Überlieferung zuzuschreiben sein. Die dem Ekkehard in Diplomen Lothars nur hier beigelegte Dignität prepositus beruht wahrscheinlich auf Empfängerdiktat (vgl. DLo.III. 62, Vorbemerkung) und ist damit nicht notwendig zu verwerfen; sie erlaubt die Identifizierung des Kanzleileiters mit dem anderweitig bezeugten Propst Ekkehard am Einbecker St. Alexanderstift, vgl. PETKE, Lothar S. 58f. Die Strafsumme von 100 Talenten Goldes, die HIRSCH/ OTTENTHAL ungewöhnlich finden, begegnet in von Bertolf mundierten Diplomen Lothars auch sonst, vgl. Reg. 298, 447, 492, wobei talentum soviel wie libra bedeutet, vgl. DKo.III. 28. Bertolf hat diese in Gold bemessene Strafsumme offensichtlich in dem Hirsauer Formular (DH.IV. 280) kennengelernt, vgl. Reg. 298. - Zum gesicherten Bestand der Lotharurkunde gehören jene Partien, welche mit dem Diplom für Segeberg übereinstimmen. Darüber hinaus ist durch die NU. Konrads III. von 1145 (DKo.III. 133) gesichert, daß Eilika und ihr Sohn Albrecht der Bär zur Zeit Lothars auf die Fischerei verzichtet haben. In vorliegendem Diplom wird zudem noch Heinrich der Stolze genannt; durch seine Mutter, die Billungerin Wulfhild (†29.12.1126), hatte er denselben Anspruch auf billungisches Erbe wie Albrecht der Bär, der Sohn von Wulfhilds Schwester Eilika mit Otto von Ballenstedt. - Die Fischerei hǒcwar, bei der es sich um ein Winkelwehr beziehungsweise um einen winkligen Fischzaun handelt (vgl. W. DIEKAMP, Westfälisches UB, Supplement 1885 S. 27 Nr. 195), lag laut der gefälschten VU. bei †Lüssum an der Unterweser. †Lüssum ist in Bremen-Blumenthal aufgegangen, vgl. D. SCHOMBURG, Geschichtliches Ortsverzeichnis des Landes Bremen, 1964 S. 42 Nr. 175. Billungischer Besitz ist bei Bremen gut bezeugt, vgl. G. PISCHKE, Herrschaftsbereiche der Billunger, der Grafen von Stade, der Grafen von Northeim und Lothars von Süpplingenburg, 1984 Nr. 120, 155, 222, 256, 263, 267, 270, 321, wo jedoch unser Beleg fehlt. Die zusätzliche Nennung Heinrichs des Stolzen in Lothars Urkunde ist also unbedenklich. Befremdlich ist dagegen, daß in der vorliegenden Fassung auf eine erste Dispositio zunächst die Poenformel und dann eine zweite Dispositio mit der Bestätigung der zur Fischerei gehörigen villae cum hominibus sowie noch das Vogteistatut folgen. Offenbar ist die Dispositio fälschend um die ausdrückliche königliche Verleihung der villae cum hominibus als Pertinenz der Fischerei erweitert und dabei die Poenformel vorgezogen worden. Auch bereits die unechte VU. nennt ausdrücklich 32 der Fischerei dienende Familien. Die von HIRSCH/ OTTENTHAL, Vorbemerkung, vermißte Bestreitung der Corveyer Fischereiansprüche ist für 1152 bezeugt, als Eugen III. den Erzbischof Hartwig von Bremen beauftragte, ut fratribus Corbeiensis aecclesiae de piscatione de Hokwar, quae á parrochianis tuis, sicut accepimus, illicite detinetur, quod iustum fuerit, facias exhiberi, Wibald ep. 352, hg. PH. JAFFÉ, Monumenta Corbeiensia (BiblrerGerm 1) 1864 S. 485f.; JL 9519; SEEGRÜN/ SCHIEFFER, Germ. Pont. VI S. 77 Nr. 136. Wahrscheinlich wurde unser Diplom interpoliert, um mit der Behauptung von Corveyer Rechten an den Fischersiedlungen und deren Bewohnern die Ansprüche des Klosters auf Leistungen aus der Fischerei durchzusetzen. Das Kloster ließ sich 1155 et piscationem Hocwar von Hadrian IV. bestätigen (JL 9999) und trug nach 1150 et piscationem Hocwar unter den Verwaltungsnotizen in seinen Liber vitae ein (Der Liber Vitae der Abtei Corvey. Teil 1 Einleitung, Register, Faksimile, hg. KARL SCHMID/ J. WOLLASCH, 1983 S. 112, pag. 94/4). - NUU.: DKo.III. 133. BÖHMER/ BAAKEN Nr. 269.

Nachträge

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Empfohlene Zitierweise

RI IV,1,1 n. †400, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/1134-05-00_2_0_4_1_1_400_F400
(Abgerufen am 25.04.2024).