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RI III Salisches Haus (1024-1125) - RI III,5,2

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Der (als Nachfolger Papst Leos IX.) gewählte Bischof Gebhard von Eichstätt (nn. 1162, 1163) wird als Papst inthronisiert und nimmt den Namen Viktor (II.) an.

Überlieferung/Literatur

Erw.: Anon. Haserensis, Gesta ep. Eistetensium 38, vgl. 38-41 (Weinfurter 65, vgl. 61ff.); Ann. Augustani 1054, 1055 (MG SS III 126); Amatus von Monte Cassino, Hist. Normannorum III 47, 48 (De Bartholomaeis, FSI 76, 163f.); Berthold von Reichenau, Chr. 1054 (Robinson, MG SS rer. Germ. NS 14/2003, 175); Ann. Rom. (Duchesne II 334); Bonizo von Sutri, Liber ad amicum V (Dümmler, MG Ldl I 589f.); Bernold von Konstanz, Chr. 1054 (Robinson, MG SS rer. Germ. NS 14/2003, 385); Leo Marsicanus, Chr. Casinensis II 86 (MG SS XXXIV 335f.); Johannes Wigorniensis, Chr. 1077 (Darlington/McGurk, Chronicle II 576); Johannes Długosz, Ann. seu Chr. Poloniae III 1054 (Dąbrowski II 68); Johannes Trithemius, Ann. Hirsaugienses 1054, 1055 (Mabillon I 194f.). Reg.: J p. 379; Heidingsfelder, Regesten der Bischöfe von Eichstätt 74 n. 204; JL I p. 549. Lit.: Di Meo, Annali VII 360f.; Höfler, Deutsche Päpste II 223; Will, Viktor II. 193; Baxmann, Politik der Päpste II 254; Steindorff, Heinrich II 293f.; Martens, Besetzung des päpstlichen Stuhls 40f.; L'Huillier, Vie de Saint Hugues 77; Hauck, Kirchengeschichte III 621; Chalandon, Domination Normande en Italie I 160f.; Pflugk-Harttung, Papstwahlen II 21f.; Hefele/Leclercq, Hist. des Conc. IV/2 1114, 1117; Guggenberger, Deutsche Päpste 72ff.; Poole, Chronology 152; Mann, Popes VI 188; Schmid, Kanonische Wahl 93f.; Kehr, Vier Kapitel 57ff. (ND Ders., Ausgewählte Schriften 1251ff.); Brezzi, Roma e l'impero 228; Santifaller, Reichskirchensystem 100,2(214ff.); Haller, Papsttum II 307; Kloos, Päpste aus Bamberg und Eichstätt 84ff.; Lucchesi, Vita di S. Pier Damiani I 94; Vrégille, Hugues de Salins I 250; Beumann, Reformpäpste als Reichsbischöfe 35; Gussone, Thron und Inthronisation des Papstes 216ff.; Hergemöller, Papstnamen 52f.; Goez, Gebhard I. als Papst Viktor II. 12ff., 18; Vrégille, Hugues 197; Anon. Haserensis, Gesta ep. Eistetensium (Weinfurter 195); Wolter, Synoden 418; Frech, Deutsche Päpste 312, 314; Martin, Salische Herrscher als Patricius Romanorum 263; Goez, Beatrix von Canossa 148; Twyman, Papal Cerimonial 109f.; Benericetti, Cronologia dei papi della seconda metà 42ff.; Weinfurter, Sancta Aureatensis eccl. 123; Wendehorst, Bistum Eichstätt 61; Hägermann, Papsttum am Vorabend des Investiturstreits 18.

Kommentar

Die Ann. Rom. berichten ohne nähere Angaben von einer Weihe (consecraverunt) des Elekten zum Papst und dem ihm verliehenen Namen Viktor; dieselben Informationen liefert der Anon. Haserensis: in consecratione Victor appellatus est. Darüber hinaus informiert Berthold von Reichenau, dass die Inthronisation (ordinatus) am Gründonnerstag (in coena Domini) stattfand (vgl. auch Trithemius). Da dieses Datum mit den in den Katalogen genannten Sedenzzeiten nicht zu vereinbaren ist, schlug Duchesne, LP II p. LXXIII statt dessen den Ostersonntag vor, den 16. April. Poole, Chronology nimmt in Folge von Duchesne an, das von Berthold gegebene Datum am Gründonnerstag beziehe sich auf die Thronsetzung im Lateran. Dagegen erhob Benericetti aus ravennatischen Urkunden einen Termin zwischen dem 25. Februar und dem 1. März und schlägt als Weihe bzw. Inthronisationsdatum demnach den in diesem Zeitraum liegenden Sonntag, somit den 26. Februar vor. Weil aber für dieses Datum kein quellenmäßiger Nachweis abgesehen von den annäherungsweisen Erhebungen aus Ravennater Privaturkunden existiert, wird das von Berthold genau bestimmte Datum beibehalten. Nach Leo Marsicanus kam bei der Inthronisation wie bei der gesamten Erhebung Viktors II. Kardinal Hildebrand die maßgebliche Rolle zu; er brachte den Elekten nach Rom (n. 1164), verlieh ihm den Namen Viktor und machte ihn mit allgemeinem Konsens zum Papst (papam cunctorum assensu constituit). Eine ähnliche Ansicht hatte schon Bonizo vertreten, ohne Hildebrand dabei eine so wichtige Funktion zuzuweisen; nach Bonizo erfolgte in der Peterskirche (eccl. b. Petri) eine kanonische Wahl und anschließende Inthronisation (secundum morem antiquum clerus elegisset populusque laudasset, statim card., ut moris est, eum inthronizantes). Hinsichtlich der Inthronisation ist Bonizo sicher zuzustimmen, da eine weitere (Bischofs) Weihe Viktors II./Gebhards nach jener für Eichstätt jedenfalls auszuschließen ist. Ebenfalls ist die Vorstellung einer erneuten Wahl durch den römischen Klerus nach den Vorgängen von Mainz (n. 1162) und Regensburg (n. 1163) kaum im wörtlichen Sinn anzunehmen, aber dennoch von einem Akt der Zustimmung dieses Gremiums auszugehen. Und auch eine maßgebliche Mitwirkung der Kardinäle an der Erhebung ist anzunehmen, wenn auch Bonizos Bericht deutlich spätere Vorstellungen von der kanonischen Wahl zugrunde liegen (wie bereits aus seinem mehrfachen Hinweis auf die alten Sitten ersichtlich ist). Die Namenswahl erfolgte nach Weinfurter, Sancta Aureatensis eccl. 123 weniger aufgrund Papst Viktors I., als vielmehr in Anlehnung an den gleichnamigen Heiligen der Thebäischen Legion. In der Benennung wäre dann der Wille zu einer besonderen Zusammenarbeit von Kaiser und Papst zum Ausdruck gekommen. Ins Gedächtnis zu rufen ist auch die Tatsache, dass der Vorgänger Viktors II., Leo IX., in der Schlacht bei Civitate unterlegen war (n. 1078). Die Ann. Ottenburani lassen dem angeblich 1051 verstorbenen Leo IX. zunächst Friedrich/ Stephan IX. folgen, erst auf diesen Gebhard/Viktor II. Zum Pontifikat: Papst Viktor II., war als Gebhard bereits in jugendlichem Alter 1042 Bischof von Eichstätt geworden (vgl. die Erzählung beim Anon. Haserensis, Gesta ep. Eistetensium 34 [Weinfurter 61f.]). Die Bedenken des Kaisers wegen des Alters des Kandidaten sollen damals von Erzbischof Bardo von Mainz beschwichtigt worden sein mit dem visionären Hinweis, dass der Kaiser dem jungen Kleriker künftig noch höhere Ämter verleihen werde (aliquando dabitis sibi maiorem). Neben diesem literarischen Hinweis auf das spätere Papstamt führt der Anonymus einen weiteren prophetischen Hinweis darauf an; so soll der Vater des jungen Bischofs nach dem Patrozinium der Eichstätter Kirche gefragt und auf die Information, der hl. Willibald sei der Patron, erwidert haben somnium me fefellit, nach welchem nämlich sein Sohn eine Peterskirche leiten sollte. Da das jugendliche Alter Gebhards bei seiner Bischofswahl 1042 ein Problem darstellte, dürfte der Kandidat damals das kanonische Alter von 30 Jahren für diese Würde noch nicht erreicht haben; er wird demnach etwa um 1015 geboren sein. Der Anonymus, welcher die detaillierteste Darstellung der Amtszeit Viktors II. und v. a. seines Wirkens als Bischof von Eichstätt gibt, erklärt auch, der Bischof sei insbesondere aufgrund seiner Fähigkeiten als Richter einer der bedeutendsten Reichsfürsten und wichtigsten Berater des Königs gewesen (vgl. n. 1022); so übte er für den minderjährigen Heinrich IV. seit Ende 1053 die Regentschaft im Herzogtum Bayern aus (inter omnes regni principis ... multis ... superior ... adoptatus a caesare est in administratione publici regiminis ... ducatum Baioariam ad tempus susciperet regendum ... secundus a rege esset rexque eum solo regni solio precederet [Anon. Haserensis, Gesta ep. Eistetensium 35, Weinfurter 62f.]; vgl. auch Leo Marsicanus, Chr. Casinensis II 86 [MG SS XXXIV 335]; Böhmer/Struve, Regesten Heinrichs IV. n. 14, Weinfurter, Eichstätt 79ff.). Diese Quelle macht auch die präzisesten Angaben über die Abstammung des Papstes und nennt seine Eltern patre Hartwigo, matre ... Biliza (c. 34 p. 61) sowie eine verwandtschaftliche Bindung zum Kaiserhaus (regalem, ut ipse Heinricus imp. fatebatur, prosapiam ex patre attigit). Aus den Forschungen Klebels, Frieds und Decker-Hauffs ergibt sich, dass Viktor II. und sein Bruder Patriarch Gotebold von Aquileia (1048-1063) über ihre Mutter Biliza mit Adelheid von "Metz/Öhringen" verwandt waren, die aus anderer Ehe die Mutter Konrads II. und daher "Stammmutter" der späteren Salier war. Bischof Gebhard von Regensburg gehört daher in den nächsten Verwandtenkreis des Papstes ebenso wie Heinrich III. Über seinen (evtl.) Bruder, Graf Adalbert von Calw, war Viktor/Gebhard verschwägert mit Leo IX. (vgl. die Ausführungen bei Weinfurter, Anon. Haserensis 177ff. und die beiden möglichen Stammtafeln 180f.). Ergibt sich aus diesen Überlegungen eine Verwandtschaft des Papstes mit dem Calwer Grafenhaus, so machte schon Lorenz Fries Viktor II. zu einem grauen von Calwe (so auch: Wilhelm Werner von Zimmern, Eichstätter Bischofschr., W. Kraft, Würzburg 1956, 44ff.). Dagegen erklärt Aventin ihn zu einem Grafen von Hirschberg (Hirsperg bzw. de castello Hirsobergomo), zu deren Vorgängern (da die Familie sich erst seit dem 12. Jahrhundert nach Hirschberg nennt) Weinfurter allenfalls eine Verwandtschaft über die weibliche Linie gelten lässt. An eine andere Familie denkt Hermann Corner, wenn er den Vater des Papstes Wulfhard (Wulfardo) nennt, nämlich an die Welfen, doch beruht seine Angabe auf einem Irrtum. Der Hinweis auf die Grafen von Calw, der aus dem Anon. Haserensis erschlossen ist, wird auch durch dessen Angabe zur landsmannschaftlichen Herkunft Viktors II. bestätigt, da dieser Sueuia oriundus extitit (cap. 34 p. 61). Die schwäbischalemannische Abstammung (genere Alemannia, Alemannus, natione Alemannus etc.) wird darüber hinaus durch eine Vielzahl an Quellen bestätigt (Catal. saec. XI, Annalista Saxo, Chr. Amiatinum, Catal. pont. Rom. Viterbiensis, Catal. Cencianus, Catal. Casinensis, Gilbert von Rom, Martin von Troppau, etc.). Dagegen bezeichnet eine Reihe von Autoren Gebhard von Eichstätt als einen Bayern (natione Noricus, natione Bavarus) (Ann. Rom., Liber Pont., Chr. Vulturnense, Thomas Ebendorfer) was aber wohl durch den Umstand zu erklären ist, dass der erste Bischofssitz des Papstes eben in Bayern liegt. Einen Kompromiss zwischen den konkurrierenden Überlieferungen ging Platina ein, der den Papst als natione Alemannus ex Bavaria bezeichnet. In diesem Sinn muss Alemannus nicht unbedingt auf den südwestdeutschen Raum zu beschränken sein, sondern kann auch in anderen Quellen u. U. Deutschland bezeichnen. Einigen Quellen reichte überhaupt die Kennzeichnung Viktors II. als Deutscher (genere Teutonico; Teutonicus; natione Teutonicus; Dudische; Dütscher) (Leo Marsicanus, Otto von Freising, Boso, Magnus von Reichersberg, Ann.; Magnus von Reichersberg, Chr.; Anon. Zwettlensis, usw.). Die Tatsache, dass Viktor II. vor seiner Erhebung zum Papstamt Bischof von Eichstätt war, wird durch den Anon. Haserensis und Gundechar hinlänglich bezeugt und ist in einer langen Liste weiterer Quellen zusätzlich zu belegen. Obwohl diese in der Schreibweise des Ortsnamens erheblich differieren, meinen sie doch alle die bayrische Bischofsstadt. Ähnlich variantenreich sind die Schreibweisen des Taufnamens Viktors II.: Gebehardus (Anon. Haserensis; Ann. s. Blasii, Ann. Augustani, Bernold, Frutolf, u. a.), Gebeardus (Liber Pont.; Richard von Poitiers, Romuald von Salerno), Gebehart (Gundechar), Gebhardus (Flores temp.), Gephardum (Aventin, Ann. ducum Baioariae), Gebharten (Lorenz Fries), Gebardus (Ann. Floreffienses), Gevehardus (Annalista Saxo, Chr. belgicum, Hermann Corner), Gheueardus (Eike), Ghevehardus (Dietrich Engelshus), Gebahardus (Chr. s. Bavonis, Gottfried von Viterbo, Ann. Marchianenses, Albert de Bezanis), Gabhard (Aventin, Bayerische Chr.), Giehardus (Chr. s. Andreae Cameracensis), Glebehardus (Platina), Gerhardus (Martin von Fulda), Geobardus (Amatus), Godehardus (Gesta ep. Halberstadensium), Gebraedus oder Glebardus (Tholemäus von Lucca), doch ist abgesehen von der Variante der Halberstädter Bischofsgeschichte immer der gleiche Name Gebhard damit umschrieben. In der heutigen offiziellen Papstliste steht Viktor II. an der 152. Stelle, eine Position, die ihm keine mittelalterliche Quelle zuweist. In diesen Schriften tauchen die Ordnungszahlen 146. 163. auf (Lambertus parvus, Walter von Coventry: 146.; Sigebert: 149.; Edmund Dynter: 150.; Dietrich von Deutz: 151.; Liber Pont., Catal. paparum secundus Argentoratensis, Platina: 153; Ann. Augustani, Berthold, Ann. s. Disibodi, Liber Pont. [Přerovský]: 154; Ann. s. Blasii, Thomas Ebendorfer: 155.; Boso, Anon. Zwettlensis, Andreas von Regensburg: 156; Helinand von Froidmont: 157; Petrus Bechini, Eulogium, Platina: 158.; Sozomenus, Tholemäus von Lucca, Martin von Fulda, Hermann Corner, Matthäus Palmerius: 159.; Chr. minor Erfordensis: 162. und Amalricus Augerius, Jacobus de Guisia: 163.). Das Siegel des Papstes zeigt das Bild des Petrus, wie er von Gott die Schlüssel des Himmels erhält mit der Umschrift: tu pro me navem liquisti, accipe clavem und auf der Reversseite eine stilisierte Stadtmauer mit der Inschrift: Aurea Roma und der Umschrift: Victoris papae II. Das Reversbild stimmt dabei auffälligerweise mit jenem auf gleichzeitigen Kaiserbullen überein (vgl. Chacóns, Vitae et res gestae Pont. I 807; Erben, Kaiserbullen und Papstbullen 154ff.; Reversbild nach 160 n. 3). Als Stadtherr Roms ist Viktor II. in Gundechars Liber pont. Eichstetensium fol. 18 dargestellt: Das Bild zeigt ihn inmitten eines stilisierten Stadtbildes (wie beim Siegel) mit Mitra auf dem Kopf und Bischofsstab in der Hand (Ladner, Ritratti dei Papi Tafel XVIIIb, Kommentar 188f.; Weinfurter, Sancta Aureatensis eccl. Abb. 1). Dem Papst schreiben Martin Crusius, Ann. Suevici sive Chronica rerum gestarum Suevicae (3 Bde., Frankfurt 1595 1608) II 198 und Gaspar Bruschius, Chronologia monasteriorum Germaniae praecipuorum (Nürnberg 1682) 13 die Gründung des Klosters Weissenohe (Weissenaw) (D. Bamberg) im Jahr 1053, also in seiner Zeit als Bischof von Eichstätt zu, während anderweitig Pfalzgraf Aribo IV. und dessen Frau Willa samt ihrer Nichte Hademout aufgrund des Privilegs Paschalis' II. von 1109 April 4 (JL 6233; GP III 294 n. 1) (Ussermann, Episcopatus Bambergensis Cod. prob. 32) als die Stifter gelten (Paulus, Pfalzgrafenamt 273).

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Empfohlene Zitierweise

RI III,5,2 n. 1166, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/1055-04-13_2_0_3_5_2_838_1166
(Abgerufen am 23.04.2024).