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RI III Salisches Haus (1024-1125) - RI III,5,2

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Papst Leo IX. drückt (Erz) Bischof Thomas (von Karthago) (Thomae confratri carissimo et coepiscopo) sein Bedauern über den Verfall der afrikanischen Kirche und deren Reduzierung von 205, ehedem bei der Synode von Karthago anwesenden, auf fünf gegenwärtig in Afrika amtierende Bischöfe aus, sowie seine Freude über eine Anfrage des Adressaten beim apostolischen Stuhl; bestätigt in deren Folge dem Bischof von Karthago die Metropolitanwürde für Afrika (primus archiepiscopus, et totius Africae maximus metropolitanus est Carthaginensis episcopus) und lehnt daher entsprechend den Vorstellungen der (afrikanischen) Bischöfe Petrus und Johannes (confratres nostri et coepiscopi Petrus et Ioannes recte sentiunt de Carthaginensis eccl. dignitate) (n. 1123) jegliche Vollmacht des Bischofs von Gummi zur Weihe und Absetzung von Bischöfen oder zur Berufung von Provinzialsynoden ohne Zustimmung des Erzbischofs von Karthago ab (nec ... ille Gummitanus episcopus aliquam licentiam consecrandi episcopos vel deponendi, seu provinciale concilium convocandi habet sine consensu Carthaginensis archiepiscopi), weist abschließend unter Hinweis auf die Primatialstellung des römischen Bischofs darauf hin, dass nur der Papst Generalkonzilien veranstalten und Bischöfe absetzen dürfe und trotz des konziliaren Rechts, Bischöfe zu prüfen, die endgültige Entscheidung beim Papst liege (non debere praeter sententiam Romani pontificis universale concilium celebrari, aut episcopos damnari, vel deponi; ... quia licet vobis aliquos examinare ... difinitivam ... sententiam absque consultu Romani pontificis ... non licet dare) sowie alle maiores ... causae von diesem zu entscheiden seien, weist auf seine Beantwortung (n. 1123) der Anfrage der afrikanischen Bischöfe Petrus und Johannes (n. 1121) hin (ad interrogata ... confratrum nostrorum Petri et Ioannis episcoporum decrevimus respondere) und empfiehlt sich und die römische Kirche dem Gebet des Empfängers.

Originaldatierung:
Dat. XVI kal. Ianuarii a. d. papae Leonis IX V, ind. VII.
Incipit:
Cum ex venerabilium canonum auctoritate ...

Überlieferung/Literatur

Orig.: . Kop.: 1) 11. Jh., Bern, Burgerbibl., Cod. lat. 292 fol. 19; 2) 15. Jh., Leipzig, UniBibl., Ms. 272 fol. 442; 3) 1550, Rom, Bibl. Vat., Cod. vat. lat. 3790 fol. 37v; 4) 16. Jh., München, StBibl., Cod. lat. 111 fol. 245v; 5) 16. Jh., Paris, Bibl. nat., Ms. lat. 3160A fol. 36v (mit dem Datum: XI kal. Jan. a. D. 1020); 6) 16. Jh., Rom, Bibl. Vat., Cod. vat. lat. 5638 fol. 20v; 7) 16. Jh., Rom, Bibl. Vat., Cod. vat. lat. 5594 fol. 31; 8) 16. Jh., Rom, Bibl. Vat., Cod. Regin. lat. 413 fol. 270 (unleserlich); 9) 16./17. Jh., Rom, Bibl. Vallicelliana, Ms. C 27 fol. 188; 10) 16./17. Jh., Mailand, Bibl. Ambrosiana, Cod. D. 319 inf., nach fol. 123 (nicht eingesehen; so zitiert bei Kehr, PUU in Mailand); 11) 17. Jh., Rom, Bibl. Vallicelliana, Ms. G 99 fol. 150v. Erw.: Sigebert von Gembloux, De viris illustribus § 150 (Witte 94, 986); Johannes von Bayon, Hist. Mediani Monasterii II 54 (Belhomme 248). Drucke: Surius, Leonis I. Opera cum Leonis IX lucubrationes 187; Surius, Conciliorum tomus III 591; Carafa, Epistolae decretales III 536; Baronius, Ann. eccl. XI (Mainz 1601) 259; (Rom 1604) 198; (Köln 1624) 218; (Antwerpen 1642) 202; (Venedig 1712) 218; Binius, Generalia et provincialia concilia III/2 1105; Cherubini, Magnum Bullarium I (Rom 1638) 47; (Lyon 1642) 49; (Lyon 1673) 49; (Luxemburg 1727) 25; (Luxemburg 1742) 25; Collectio regia XXV 455; Labbe/Cossart, Conc. IX 971; Hardouin, Acta conc. VI/1 949; Coleti, Conc. XI 1341; Cocquelines, Bull. Rom. I 385; Mansi, Conc. XIX 657; Migne, PL 143, 727; Tomassetti, Bull. Rom. I 625; Mas Latrie, Traités de paix II 1; Roskovány, Romanus pontifex I 348 (fragm.); Brucker, L'Alsace II 341 (fragm. franz. Übersetzung); Codicis Iuris Canonici Fontes I (hg. von Petrus Gasparri [Rom 1947]) 26 (fragm). Reg.: Georgisch, Regesta I 383 n. 15; Höfler, Deutsche Päpste II 377; J 3267; Streit/Dindinger, Bibliotheca missionum XV 1 n. 1; Hettinger, Beziehungen des Papsttums zu Afrika 305 n. 4; JL 4304. Lit.: Höfler, Deutsche Päpste II 190f.; Hunkler, Leo IX. 261, 280; Will, Restauration I 119f.; Mas Latrie, Traités de paix I 116f.; Delarc, Pape alsacien 434ff.; Mas Latrie, L'episcopus Gummitanus 72f.; Brucker, L'Alsace II 341, 344f.; Martin, Saint Léon 172ff.; Seston, Derniers temps du Christianisme en Afrique 120; Michel, Aktenstücke zum griechischen Schisma 56f., 60ff.; Michel, Sentenzen des Kardinals Humbert 185ff.; Courtois, Grégoire VII et l'Afrique 108f., 116ff., 120f., 195f., 201ff.; Fuhrmann, Patriarchate III 159f.; Michel, Schisma und Kaiserhof 388; Mayne, East and West 142f.; Ryan, Cardinal Humbert De s. Romana ecclesia 217; Fuhrmann, Das ökumenische Konzil 681ff.; Gilchrist, Humbert of Silva Candida 20f.; Gilchrist, Canon Law Aspects 28f.; Garreau, Saint Léon IX 153f.; Capitani, Immunità 195; Hoesch, Kanonistische Quellen 13, 28, 43f.; Congar, Lehre von der Kirche 57f.; Robison, Humberti Cardinalis 75f.; Gilchrist, Cardinal Humbert, Canon Law 340; Fuhrmann, Pseudoisidorische Fälschungen II 343ff., 353; Fois, Cardinali vescovi 91f.; Fransen, Papes, conciles 207f., 222f.; Petrucci, Ecclesiologia e politica 143ff.; Blumenthal, Paschalis II and Primacy 69; Cuoq, L'Église d'Afrique du Nord 125ff.; Morris, Papal Monarchy 135; Robinson, Papacy 145; Gilchrist, Gregorian Reform Tradition 271f.; Hettinger, Beziehungen des Papsttums zu Afrika 67ff., 73ff., 77ff., 85ff., 92ff., 96ff., 109ff., 113, 161f.; Vacca, Prima sedes 167f.; Hartmann, Centralismo papale 105; Congar, Église et papauté 88; Dischner, Humbert 78f.; Blumenthal, Conciliar Canons and Manuscripts 361ff.; Blumenthal, Papacy and Canon Law 202f.; Cowdrey, Gregory VII 491f.; Johrendt, Reisen der Reformpäpste 69f.; Munier, Léon et l'archevêque de Carthage 447ff., 464ff. und passim; Gemeinhardt, Filioque-Kontroverse 325f.; Segl, Africa Pontificia 230; Munier, Léon IX 248; Schmieder, Peripherie und Zentrum 367f.; Scholz, Politik 439ff.; Munier, Léon et le droit 390f., 393ff.; Chazan, Léon IX dans l'historiographie 601; D'Agostino, Primato 77, 122f.

Kommentar

Zur Überlieferung vgl. Kehr, PUU in Mailand 77 (ND Ders., PUU in Italien III 251), Kehr, PUU in Rom I 9 (ND Ders., PUU in Italien IV 9), Brackmann, PUU des östlichen Deutschland 201 (ND PUU in Deutschland 9), Hoesch, Kanonistische Quellen 13, Hettinger, Beziehungen des Papsttums zu Afrika 67ff., Willjung, Konzil von Aachen 95f., 98, 103 und D'Agostino, Primato 84f., 87f. Die Urkunde ist nur durch verschiedene Abschriften des kurz nach 1054 zusammengestellten Corpus' der Schismabriefe überliefert. Der Brief richtet sich an den afrikanischen Bischof Thomas, bei welchem es sich sehr wahrscheinlich um den (Erz) Bischof von Karthago handelt, und nimmt im zweiten Teil z. T. die Form eines Lehrschreibens an. Der Adressat wird zwar nur als Bischof angesprochen, doch variiert im Text der Urkunde die Bezeichnung episcopus mit archiepiscopus/metropolitanus für den Vorsteher der Kirche von Karthago. Möglicherweise beruht der Titel des Bischofs auf dem Umstand, dass nur fünf Bischöfe in Afrika übrig sind, ein Erzbischof jedoch nach dem kanonischen Recht – im Idealfall – zwölf Suffragane unter sich haben sollte. Inhaltlich sind insbesondere die Rechte der Kirche von Karthago Gegenstand des Dokumentes und in der Rubrik der Urkunde in den Handschriften ist der karthagische Bischof als Adressat genannt, so dass diese Zuordnung sehr plausibel wird. Der Text ist ohne Verwendung des LD abgefasst, doch sind die Historia adversus paganos des Paulus Orosius, die Konstantinische Fälschung, Pseudo-Isidor und das Werk Cyprians von Karthago darin zitiert (Hettinger 67, 79f., 109ff.). Der Text diente als eine der Vorlagen bei der Abfassung der Urkunde Gregors VII. für Erzbischof Cyriacus von Karthago (1076 Juni) (JL 4994) (Jaffé, Bibl. rer. Germ. II 234). Die Angabe der Urkunde, in Afrika hätten ehemals 205 Bischöfe eine Synode gefeiert, bezieht sich auf das Konzil von Karthago vom 1. Mai 418 und beruht auf der in der "Quesnel'schen Sammlung" (Migne, PL 56, 369-746) genannten Teilnehmerzahl (Hettinger 77ff.). Überhaupt beziehen die Informationen der Kurie sich auf die spätantiken Zustände Afrikas, während die Veränderungen der byzantinischen Zeit nicht wahrgenommen wurden. Grund für den Brief ist eine Anfrage aus Afrika, welche die Bischöfe Petrus und Johannes (vgl. nn. 1121, 1123) an die Kurie gerichtet hatten (Romanae eccl. matris vestrae sententiam requiritis) und die durch Streitereien innerhalb der afrikanischen Kirche veranlasst war. Ursache für den Streit war, wie aus dem Text hervorgeht, der Umstand, dass der Bischof von Gummi (zum Ort vgl. Hettinger 105ff.) zumindest einen Bischof abgesetzt und einen anderen ordiniert sowie ein Provinzialkonzil berufen hatte, ohne die Prärogativen des Bischofs von Karthago zu beachten. Dagegen hätten die Bischöfe Petrus und Johannes sich gewehrt und die Stellung des Karthager Bischofs als Metropolit von Afrika verteidigt. Dessen Position als Primas Afrikas wird in dem Schreiben gestärkt, dem Bischof von Gummi jede Maßnahme untersagt, welche seine Kompetenz als Ortsbischof überschreitet. Davon ausgehend wird die alleinige Vollmacht der römischen Kirche, wichtigere Angelegenheiten zu entscheiden sowie insbesondere der römische Primat (begündet mit Zitaten aus der Bibel und von Cyprian von Karthago) eingeschärft. Der Primat ist in diesem Schreiben noch stärker betont als in dem vermutlich zur selben Zeit ausgestellten und in diesem Brief erwähnten Antwortschreiben an die Bischöfe Petrus und Johannes n. 1123, das inhaltlich und sogar wörtlich weitgehend mit diesem übereinstimmt. Hettinger interpretiert die Zusammenhänge so, dass in der Zeit einer Sedisvakanz in Karthago der Bischof von Gummi als Metropolit der in byzantinischer Zeit eingerichteten Kirchenprovinz Byzacena rechtmäßig die erw. Maßnahmen ergriffen habe, was zum Einschreiten der beiden Suffragane von Karthago geführt hätte. Der erwählte Bischof von Karthago aber sei (evtl. zur Weihe, jedenfalls) zum Empfang des Palliums (vgl. n. 1123) persönlich zum Papst nach Benevent gereist und habe dort umfangreichere mündliche Instruktionen sowie vorliegenden Brief erhalten. Beruhend auf den Strukturen der spätantiken Kirche in Afrika, in welcher in der Tat der Bischof von Karthago das Amt eines Primas innegehabt habe (im Unterschied zu den in byzantinischer Zeit eingerichteten fünf gleichberechtigten Metropolen), sei dessen Position gefestigt worden, auch im Interesse der besseren Durchsetzbarkeit des römischen Primats. Die Korrektheit dieser Zusammenhänge vorausgesetzt, muss angesichts des Fehlens anderer Quellen die Anwesenheit des Bischofs Thomas an der Kurie in Benevent fraglich bleiben, da über die interpretierten Fakten hinaus nur ein (letztlich nichtssagender) Hinweis in dem Brief darauf hindeutet (a tua fraternitate audimus). In das Corpus der Schismabriefe aufgenommen wurden die beiden inhaltlich übereinstimmenden Schreiben (dieses und n. 1123) wegen der enthaltenen Primatsaussagen und den Erläuterungen zur Stellung der römischen Kirche innerhalb der Hierarchie.

Nachträge

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Empfohlene Zitierweise

RI III,5,2 n. 1122, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/1053-12-17_3_0_3_5_2_794_1122
(Abgerufen am 20.04.2024).