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RI III Salisches Haus (1024-1125) - RI III,5,2

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Papst Leo IX. beauftragt auf Intervention Propst Waldrads und der Brüder von StDié (D. Toul) (Waldradus prepositus cenobii s. Deodati cum quibusdam fratribus ... imploraverunt) Bischof Udo von Toul (Udoni dilecto filio s. Tullensis eccl. episcopo), veranlasst durch die Unterdrückung des Klosters durch die Erben Herzog Friedrichs (II.) von Lothringen (duce Lotharingorum Friderico mortuo, honor ducatus transiens ad alienos heredes oppressionis ... erat indicium), die Freiheit des Klosters zu schützen, welches von jeder weltlichen Besteuerung frei sei (prebendam canonicorum ... omni saeculari exactione seclusa ... in libertate ... firmavimus), wie auch seine Hörigen (mansionarii), die außer bei den Vergehen der Geldfälschung (falsitate monete) und des Betrugs sowie beim Ertappen auf frischer Tat allein der Jurisdiktion des Stiftes unterstünden; er legt fest, dass die Klosterhörigen, wohin sie auch gehen, im Besitz des Klosters bleiben (liceat fratribus ibicumque fuerint illos vocare et tractare ut proprios), beschränkt das Erbrecht an Klostergut auf die Zustimmung von Propst und Konvent (nulla secularis persona ius hereditarium habeat), die Tätigkeit des Vogts auf die Beauftragung durch den vom Touler Bischof eingesetzten Propst und durch das Kloster sowie seine Einnahmen auf ein Drittel der Gerichtsfälle (advocatus de iusticiis prebende ... nullo modo se presumat nisi forte a preposito s. Deodati, qui providentiam temporalium ... ab episcopo Tullensi susciperit ... vocatus ... tantum terciam partem iusticie accipiat); ordnet an, dass der auf Vorschlag der Kirche von StDié eingesetzte Vogt, Herzog Gerhard (von Oberlothringen), bei Fehlverhalten nach dreimaliger Ermahnung vom Touler Bischof exkommuniziert und abgesetzt werden kann (dux Gerardus, qui per petitionem Deodatensis eccl. ... advocatus consistit, ... a presule Tullensi ... tercio commonitus ... excommunicetur et ... advocatia et beneficio s. Deodati careat); Bischof Udo von Toul bestätigt er weiterhin gemäß kaiserlichem Dekret das Recht, außerhalb seiner Provinz nur bei Krieg gegen Frankreich zur Heerfolge, bei Kriegszügen ins Elsass wegen des dortigen Besitzes des Reichslehens Bergheim verpflichtet zu sein (imperiali decreto firmatum ... quod episcopi Tullenses ... exercitum ducuere nisi adversus regnum Francie extra suam provinciam nin debeant ... in Alsatiam ... debent ire propter curiam de Berchem), sowie weitere genannte Rechte und Besitzungen, insbesondere das in der Amtszeit Bischof Hermanns (von Toul) zwischen Toul und Straßburg umstritten gewesene Wipucella (confirmo ... eccl. de Wipucella ... tempore Herimanni episcopi) sowie genannte Besitzungen und Rechte des Touler Kapitels.

Originaldatierung:
Dat. Romae VIII kal. Febr. pm. Petri diac. canc. et bibl. SAS a. d. Leonis IX papae III.
Incipit:
Dominus noster Jesus Christus, qui ... Anno D. incarn. MLI

Überlieferung/Literatur

Angebl. Orig.: 12. Jh., Épinal, Arch. dép., G 241 n. 6. Kop.: 1) 14. Jh., Épinal, Arch. dép., G 2688 fol. 10v; 2) 1690, Épinal, Arch. dép., G 234 fol. 6; 3) 1699, Épinal, Arch. dép., G 241 n. 7 (fragm.); 4) 1709, Épinal, Arch. dép., G 241 n. 8 (fragm.); 5) 18. Jh., Épinal, Arch. dép., G 235 n. 1 fol. 7v. Drucke: Sommier, Hist. de Saint-Diez 347; Brouilly, Défense de l'église de Toul pr. 122; Calmet, Hist. de Lorraine2II pr. 295; Gravier, Hist. de StDié 342; Duhamel, Pape Léon IX 272; Parisot, Origines 264f.; Boudet, Chapitre de StDié II 208 (auch Ders. im Bullet. de la Soc. philomatique vosgienne 51/1925, 208). Reg.: Bréquigny, Table chronologique II 52; Höfler, Deutsche Päpste II 375; J CCCLXXXIII; Goerz, Mittelrhein. Regesten I 381 n. 1342; PflugkHarttung, Päpstliche Originalurkunden 565 n. 845; Duvernoy, Catalogue des actes n. 2; Wentzcke/Hessel/Krebs, Regesten der Bischöfe von Straßburg I n. 238; Santifaller, Elenco 365; Parisse, Bullaire n. †39; Tock, Diplomatique française I 171, 334; JL †4252. Lit.: Picart, Hist. de Toul 381f.; Sommier, Hist. de StDiez 66ff.; Brouilly, Défense de l'église de Toul 36; Gravier, Hist. de StDié 79ff.; Hunkler, Leo IX. 283; Chanzy, Précis chronologique 21ff.; Pfister, Légendes de S. Dié 553f.; Martin, Hist. de Toul I 205, 208f.; Martin, Saint Léon 137; Parisot, Origines 126, 165, 197, 264f., 270ff.; Grosdidier de Matons, Comté de Bar 85; Boudet, Chapitre de StDié I 14, 32, 66ff.; Perrin, Recherches 280ff., 287; Ohl de Marais, Hist. de StDié 13; Barth, Kult Leos IX. 212f.; Choux, Recherches 6, 124, 140, 144; Ronsin, Saint-Dié 19, 23; Rück, Urkunde des Basler Bischofs Rudolf für StDié 93; Krause, Über den Verfasser 58; Boshof, Kirchenvogtei 69, 89f., 95ff.; Choux, Une possession des évêques de Toul en Alsace: cour de Bergheim 136; Bazelaire de Lesseux, Observations sur l'exercise d'avouerie 95; Klaus Petry, Monetäre Entwicklung, Handelsintensität und wirtschaftliche Beziehungen des oberlothringischen Raumes vom Anfang des 6. bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts (Trierer Petermännchen – Wissenschaftliche Reihe 2) (Trier 1992) 148f.; Poull, Maison de Bar 70; Parmentier, Église et société en Lorraine 16, 18f., 36, 40, 62, 145f.; Parmentier, L'Église de Saint-Dié 7ff.; Larger, Peintures murales de StDié 7ff.; Dahlhaus, Das bischöfliche Wirken54; Parmentier, Léon IX et StDie 648, 651f.

Kommentar

Zur Überlieferung vgl. Meinert, PUU in Frankreich I 119ff., 135f., 169 und Parisse, Bullaire n. 39. Die Urkunde gilt allen genannten Autoren als Fälschung außer Martin, der dieser eher Authentizität zusprechen will als der ersten Fälschung für StDié (n. †687). Die Fälschung erweisen lt. Boudet schon die äußeren Merkmale der an der Kurie ungebräuchlichen Schrift, zu kleine Rota und Benevalete sowie das zu große Komma. Noch auffälliger ist die Gestaltung des Datums, das zuerst in Abweichung vom kurialen Usus das Inkarnationsjahr 1051 nennt, dann das Actum in Rom am genannten Datum, die Ausstellung durch Petrus Diaconus und schließlich das dritte Amtsjahr Leos IX. Dabei kann das Actum Rom – weil der Papst sich zum genannten Zeitpunkt auf einer Reise nördlich der Alpen befand (vgl. nn. 855, 857-859, 867) – ebensowenig korrekt sein wie die Ausstellung durch Petrus Diaconus, der schon im Oktober 1050 verstorben war (vgl. nn. 822, 824). Außerdem korrespondiert das dritte Amtsjahr Leos IX. nicht mit dem 25. Januar 1051: da der Papst am 12. Februar 1049 inthronisiert wurde (n. 420), fällt der 25. Januar 1051 noch in sein zweites Jahr. Der Papstname der Intitulatio ist einerseits als Monogramm gestaltet, wobei E und O übereinander auf dem Längsschaft des L angebracht sind (Litterae columnatae) (vgl. nn. †648, 789, 798, †800, 840, †847, 856, †858, †860, 879, 880, 905, 919, 929, 937, 938, 950, 952, 955, 957, 959, 965, 975, 1023), andererseits ist der Papstname aber auch herkömmlich ausgeschrieben. Demnach unterlief dem Fälscher bei der Darstellung des Papstnamens ein Flüchtigkeitsfehler, oder er war nicht in der Lage, die monogrammatische Schreibweise aufzulösen. Weiterhin war der Adressat des Schriftstückes Udo von Toul zum Zeitpunkt der angeblichen Ausstellung noch nicht Bischof (n. 872) und der Papst sagt im weiteren Urkundentext: eccl. Tullensem ... quam adhuc tenebamus; wenn Leo IX. noch Bischof von Toul ist, kann Udo es nicht sein. Inhaltlich besteht die Urkunde aus zwei in sich selbstaändigen Teilen: der eine betrifft nur StDié und berührt auch die Rechte und Pflichten des Bischofs von Toul, während der andere eine reine Besitzbestätigung für Toul darstellt. Der erste Teil ist abgeschlossen durch eine Unterschriftenliste, welche durch den Fälscher völlig unüblich mitten in der Urkunde untergebracht wurde. Die Subskriptionspassage besagt, vorstehende Bestimmungen seien in praesentia d. imp. Heinrici tertii ... legitime dinoscantur von den Erzbischöfen Eberhard von Trier und Adalbert von Hamburg, den Bischöfen Adalbero von Metz, Dietrich von Verdun, Helinard von Freising, und Azo von Foligno (vgl. Cappelletti, Chiese d'Italia IV 403), Herzog Gerhard (von Oberlothringen), Markgraf Otto, Graf Ludwig von Mömpelgard (vgl. Viellard, Documents de Belfort 118), Graf Rainard von Toul, Haimo von Brixey (-aux-Chanoines) und Milo, Sohn Rudolfs von Gondrecourt (Everardi Trevirensis ... Adelberti Amaburgensis ... Adelberonis Metensis ... Theoderici Virdunensis ... Helinardi Frisingensis ... Hazonis Fulinigensis ... Gerardi ducis, Ottonis marchionis, Ludowici comitis de Montione, Ranardi comitis Tullensis, Haimonis de Brisseio, Milonis filii Rodulfi de Gundricurte). Noch schwieriger wird die Sachlage dadurch, dass der StDié betreffende erste Teil der Urkunde keinen einheitlichen Text wiedergibt, sondern ein Geschehen beschreibt, welches sich zumindest an zwei unterschiedlichen Daten ereignet haben muss. Denn nach einer außergewöhnlich langen Arenga und allgemeinen Dispositio, in welcher der Papst auch auf die Vorgänge seiner Wahl (nn. 401, 402) eingeht, erzählt er von einem Besuch am Kaiserhof zusammen mit anderen Touler Klerikern, unter welchen auch Propst Waldrad von StDié gewesen sei, der die Hilfe seines Bischofs Bruno (des späteren Papstes Leo IX.) bei der Erlangung einer Besitzbestätigung erbeten habe. Ursache für die Sorge um den Besitzstand des Klosters war der Tod Herzog Friedrichs II. von Oberlothringen im Jahr 1033 (vgl. Mohr, Geschichte Großlothringens 80) und der damit durchgeführte Dynastiewechsel. Es ist anzunehmen, dass der geschilderte Vorgang bald nach dem Tod des Herzogs stattfand. Bruno von Toul kann demnach noch nicht Papst gewesen sein. Das erklärt vermutlich auch die Anrede des Waldrad als frater, die der Papst nicht hätte aussprechen können – jedenfalls eher als die von Gravier 78 und Ohl de Marais 13 vertretene Ansicht, Waldrad sei ein leiblicher Bruder Leos IX. gewesen. Dem Propst Waldrad ist auch die Vita s. Deodati gewidmet (L'Hôte, AnalBoll 6/1887, 151-160, 156). Die danach aufgeführten Rechte des Klosters über Besitz und Hörige sowie die Klärung der Rechte des Vogtes sind im Allgemeinen wenig auffällig, dagegen schon die Bestätigung der Rechte mit dem banno apostolico et imperiali. Nach 1033 konnte Bruno von Toul keine apostolische Bestätigung aussprechen, und als er es nach 1049 konnte, war der Tod Friedrichs von Oberlothringen kein Ereignis mehr, das rechtliche Schritte nötig gemacht hätte. Aber als Zeuge unterschreibt der auch im Text selbst angeführte Klostervogt, Herzog Gerhard von Oberlothringen, der 1048 in sein Amt eingeführt wurde. Demnach ist die Bestätigung nach diesem Termin anzusetzen und, wie aus der Erwähnung Bischof Helinards von Freising hervorgeht, sogar nach 1052, da dieser erst am 15. Oktober 1052 geweiht wurde. Es handelt sich also beim ersten Teil der Urkunde um ein Schriftstück, das wohl zwei Urkunden miteinander verbindet, nämlich eine Bischofsurkunde Brunos von Toul, die kurz nach 1033 verfasst sein könnte, und eine auf einem Hoftag nach 1052 beschlossene kaiserliche Bestätigung, welche der Fälscher zusammenarbeitet. Am Rechtsinhalt auffällig ist nach dieser Erklärung nur noch die Position, welche der Bischof in dieser Fälschung dem Kloster gegenüber einnimmt: er verleiht dem Propst providentiam temporalium et regimen animarum, bestellt den Vogt und sichert das Kloster vor Laienansprüchen. Das steht in Gegensatz zu den Aussagen in der Fälschung von 1049 (n. †690), die dem Kloster Exemtion verleiht und dem Bischof jede Einmischung strikt untersagt. Es stellt sich daher die Frage, ob die beiden Fälschungen keinerlei Zusammenhang haben, der Fälscher dieser Urkunde keine Kenntnis vom gefälschten Exemtionsprivileg hatte, oder Leo IX. 1049 die Exemtion erstmals verlieh und die Inkorporation des Klosters in die Touler Diözese zuvor unumstritten war; das Problem ist jedoch nicht zu lösen. Der zweite Urkundenteil mit den Bestimmungen für Toul ist lt. Boudet 68 Bestandteil derselben kaiserlichen Erklärung. Der Rechtsinhalt ist eingeleitet mit den Worten imperiali etiam decreto firmatum est... und legt die Bedingungen für die Touler Heerfolge fest, welche für Fahrten ins Elsass mit dem Lehen Bergheim in Verbindung gesetzt wird (n. †885), bestätigt auch den Besitz der in der Amtszeit Bischof Hermanns von zwei Straßburger Klerikern dem Bistum Toul entfremdeten Kirche in Wipucella (Wentzcke/ Hessel/Krebs, Regesten der Bischöfe von Straßburg I 267 n. 238). Diese Bestimmungen könnte der Fälscher aus derselben Vorlage wie Text I entnommen haben (so Boudet), doch wäre auch eine Übernahme aus einem oder verschiedenen Papstprivilegien denkbar. Schließlich umfasst die Bestätigung vier Besitzungen des Touler Kapitels, die Pfarreien de Vido, Tranqueville, Vicherey und Gondreville (vgl. nn. 789, †805) (de Vido, de Tranculfivilla, de Vischeriaco, de Gondulfi villa). Laut Perrin 281 entstand die Fälschung im letzten Viertel des 11. Jahrhunderts. Ohl des Marais bringt die Urkunde falsch mit einem angeblichen (weiteren, vgl. n. †689) Besuch des Papstes in StDié am 25. Januar 1052 (!) in Beziehung.

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Empfohlene Zitierweise

RI III,5,2 n. †863, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/1051-01-25_1_0_3_5_2_535_863
(Abgerufen am 19.04.2024).