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RI III Salisches Haus (1024-1125) - RI III,5,2

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Papst Leo (IX.) beklagt gegenüber den Kanonikern von (St-Barnard) in Romans (D. Vienne) (filiis in abbatia s. Petri quae Romana appellatur degentibus) den Abstieg ihres Klosters (a proprio dignitatis culmine proruit), das trotz der von seinen Vorgängern verliehenen guten Verfassung durch innere Zerwürfnisse und die Beherrschung durch Laien gefährdet sei, ermahnt sie nach der Befreiung aus Laienhand (nunc ... dum vobis concessa est potestas ... a laicali iudicio segregatum) zur Befolgung früherer Ratschläge (vobis consilium mittere decrevimus et ... monemus, ne quod iusserimus occasionibus dissimulando postponatis) (n. 760) und befiehlt, mit Unterstützung des von ihm in dieser Angelegenheit betrauten Erzbischofs Leodegar von Vienne (archipresulis ... Viennensis Leudegarii ... quem obedientem vice nostra vobis subvenire rogavimus) (n. 761.12) vier Kanoniker für die Verwaltung ihres Klosters zu bestimmen (quatuor ex vobis eligite ... qui universa congregationis necessaria ... procurantes), um Streit im Kloster, Armut und Auflösung des gemeinsamen Dormitoriums und Refektoriums zu vermeiden (ne ... congregatio ... dissentiat ... ne paupertatis onus publicum refectorii convivium ... seiungere cogat. Refectorii ... ac dormitorii cohabitationem ... neminem relinquere faciat), empfiehlt die Befolgung der Kanonikerregel (canonico congruentia ordini ... suppetunt), schließt Gegner der Anordnung aus dem Konvent aus und bedroht sie mit dem Anathem.

Incipit:
Gravi dolore cordis percellimur gemituque ...

Überlieferung/Literatur

Orig.: – . Kop.: 1) 12. Jh., Valence, Arch. dép., 3 G 520 (Cart. de Romans) fol. 10; 2) 1790, Château des Clermonts (Drôme), Coll. Giraud-Jordan (Kopie von 1, nicht eingesehen; zitiert nach Gall. Pont.). Drucke: Giraud, Essai historique pr. 6; Chevalier, Cartulaire 117. Reg.: Chevalier, Régeste dauphinois I 1897; Schilling, Guido 627, vgl. 651 n. 37; Gall. Pont. III/1 269 n. †12 und 126 n. †154; JL 4321. Lit.: Giraud, Essai historique 54f.; Perrossier, Recherches sur les évêques (14/1880) 387ff.; Gundlach, Arles und Vienne 174f.; Bloch, Klosterpolitik 210; Schilling, Guido 170ff., 175, 177f., 187, 200f., 205f., 208f., 215, 623; Vrégille, Léon IX et Bourgogne 334.

Kommentar

Zur Überlieferung vgl. Wiederhold, PUU in Frankreich III 15 (ND I 259) und Font-Réaulx, Lettres pontificales 70. Der Papst erwähnt frühere das Kloster betreffende Ratschläge, was sich auf nn. †782, †783 bzw. deren echte Vorlagen beziehen kann. Demnach muss dieser nicht datierte Brief einige Zeit nach jenen Stellungnahmen Leos IX. eingeordnet werden. Eine äußere Bedrohung des Konvents ist hier nur am Rande erwähnt, im Zentrum stehen innere Streitgkeiten um das gemeinsame Dormitorium und Refektorium. Giraud 53 war der Ansicht, eine Verschlechterung der inneren Verhältnisse des Klosters sei aufgrund der bei der römischen Synode 1050 angeregten und in der Folge erworbenen Rekuperationen (vgl. nn. 761.12, 777, †778, †779) eingetreten, während Gundlach den Brief wie die gesamte Tradition von Romans für gefälscht hält. Dagegen vertritt Schilling die Meinung, der tadelnde Brief sei für die Romaneser Kanoniker unerfreulich und daher echt, nur der Hinweis auf den päpstlichen Besitz an dem Kloster (abbatia s. Petri) in der Adresse und auf dessen Leitung durch den Vienner Erzbischof vice nostra sei interpoliert. Darüber hinaus erweckt aber der gesamte zweite Teil des Dokumentes Verdacht, der die Einsetzung eines Vierergremiums von Kanonikern des Klosters zur Wahrung der Ordnung beinhaltet. Er ist direkt abhängig von dem durch Schilling als interpoliert nachgewiesenen Vikariatspassus, durch welchen Leodegar vice nostra mit der Leitung des Konvents betraut sein soll. Durch diesen Passus würde der Papst in dem Eigenkloster des Vienner Erzbischofs, den er selbst mit der Leitung des Klosters betraut haben will, eine zweite Leitungsinstanz einsetzen. Ist St-Barnard in Romans aber bischöfliches Eigenkloster und der Vikariatspassus interpoliert, dann wäre der daraus folgende Eingriff eine Einmischung in das bischöfliche Eigentum und wohl nur als weitere Interpolation zu erklären. Ebenfalls auffällig ist das sich daran anschließende Verbot, gemeinsames Refektorium und Dormitorium aufzugeben angesichts der von Leo IX. bestätigten Verfügung Leodegars für das Kloster, in welcher Privathäuser der Kanoniker ausdrücklich gestattet sind (nn. †782, †783). Da die Anordnung bzgl. der Privathäuser von Schilling mit guten Gründen als echt betrachtet wird, ist demnach hier mit einer Verfälschung im Zuge der Auseinandersetzungen zwischen Regular und Säkularkanonikern innerhalb des Stiftes im letzten Viertel des 11. Jahrhunderts zu rechnen. Ungewöhnlich ist auch die mit quid plura ? eingeleitete Überleitung von diesen dispositiven Aussagen zur Sanktio negativa.

Nachträge

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Empfohlene Zitierweise

RI III,5,2 n. †784, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/1050-05-03_9_0_3_5_2_456_784
(Abgerufen am 29.03.2024).