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RI II Sächsisches Haus (919-1024) - RI II,5

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Erzbischof Johannes Philagathos von Piacenza, ein aus Rossano in Kalabrien stammender Grieche, läßt sich nach seiner Rückkehr von der zur Brautwerbung für Kaiser Otto (III.) unternommenen Legationsreise nach Byzanz während eines Aufenthaltes als Pilger in Rom auf Betreiben des (römischen Senators) Crescentius (II.) Nomentanus und unter Mitwirkung des byzantinischen Gesandten, des Metropoliten Leon von Synada, anstelle des aus Rom vertriebenen Papstes Gregor (V.) (n. 772) und entgegen sowohl kaiserlichen als auch kirchlichen Vorschriften von den Römern unter dem Namen Johannes XVI. zum Papste erheben.

Überlieferung/Literatur

Erw.: Leon v. Synada, Epist. (Darrouzès, Épist. 169, 170, 171, 173, 174 f.); Johannes diac., Chr. (Monticolo, FSL 9/1890, 154); Ann. Quedlinburgenses 997 (MGSS. III 74); Ann. Hildesheimenses 997 (Waitz, SS. rer. G. 8/1878, 27); Ann. Altahenses 997 (Oefele, SS. rer. G. 4/1891, 16); Thietmar v. Merseburg, Chr. IV 30 (MGSS. N. S. IX 167); Rodulf Glaber, Hist. I 12 (Prou 14); Arnulf v. Mailand, Gesta 11 (Zey, SS. rer. G. 67/1994, 133 f.); Bonizo v. Sutri, Lib. ad amicum IV (MG. Ldl. I 582); Bonizo v. Sutri, Lib. de vita IV 44 (Perels 132); Lib. pont. (Duchesne II 261); Vita Meinwerci 7 (Tenckhoff, SS. rer. G. 59/1921, 12); Romuald v. Salerno, Chr. (SS. rer. Ital. VII/1, 172 f.); Albert Milioli, Lib. de temp. (MGSS. XXXI 425); Martin v. Troppau, Chr. (MGSS. XXII 432 u. 466); Chr. min. Erphordensis (Holder-Egger, SS. rer. G. 42/1899, 623); Auct. Erphesfurtense (Holder-Egger, SS. rer. G. 42/1899, 32); Tholomeus v. Lucca, HE. XVIII 1 (Muratori, SS. XI 1047); Andrea Dandolo, Chr. (SS. rer. Ital. XII/1, 196); Ebendorfer, Papstchr. (Zimmermann, MGSS. N.S. XVI 320). Reg.: JL. I p. 495; Graf, Widerstände 19 n. 31; Böhmer-Uhlirz n. 1218 b. Lit.: Gay, L'Italie 364 ff.; Schramm, Basileus 424 ff.; Schramm, Neun Briefe 89 ff.; Schramm, Briefe Ottos 87 ff.; Schramm, Renovatio I 93 f.; Brezzi, Roma e l'impero 167 f.; Uhlirz, Jahrbücher Otto III. 234 u. 511 ff.; Holtzmann, Kaiserzeit 343 f.; Zimmermann, Papstabsetzungen 105 ff.

Kommentar

Den zitierten Hauptquellen folgt eine Reihe anderer, vgl. vor allem Hugo v. Flavigny (MGSS. VIII 367), Hugo v. Fleury (MGSS. IX 385), Ann. Saxo (MGSS. VI 641 f.), Ann. Magdeburgenses (MGSS. XVI 160), Lambert v. Hersfeld (Holder-Egger, SS. rer. G. 38/1894, 48), Paulinus Minorita (Muratori, Antiquitates IV 957). Zumeist wird der Pontifikat Johannes' XVI. zu 998 verzeichnet; vgl. so z. B. Ann. s. Vincentii Mettensis (MGSS. III 157), Auct. Bellovacense (MGSS. VI 461), Chr. Vulturnense (Federici, FSI. 58/1925, 96), Ann. Palidenses (MGSS. XVI 65), Ann. Ceccanenses (MGSS. XIX 281), Hugo v. St. Viktor (MGSS. XXIV 96). Cencius (Fabre-Duchesne 1328), Gilbert v. Rom (MGSS. XXIV 132), Chr. univ. Mettensis (MGSS. XXIV 511), Chr. Amiatinum (MGSS. XXIV 834), Chr. s. Bartholomaei (MGSS. XXXI 215). Zur Abstammung vgl. vor allem die Papstkataloge bei Duchesne, Lib. pont. II 261 (Johannes Graecus, cognomento Philagathos, episcopus Placentinus ... Johannes, natione Grecus, de civitate Rosana). Das Chr. Vulturnense bezeichnet den Papst irrig als Römer. Zu seinem Wirken in Piacenza, das seinetwegen 988 zum Erzbistum erhoben worden war (n. 666), vgl. Schwartz, Besetzung 189, zum Aufstieg des Papstes vgl. auch Andrieu, La carrière 113 und Fleckenstein, Hofkapelle II 73 ff. Zum Zeitpunkt der Papstwahl war Johannes Philagathos auch noch Abt in Nonantola. Sowohl die erzbischöfliche Würde als auch die Abtei wurde ihm noch 997 aberkannt; vgl. n. 802 und Böhmer-Uhlirz n. 1219. Zur Datierung der Papsterhebung vgl. Uhlirz 511 f., wo ältere Ansichten von Schramm berichtigt werden. Es ergibt sich vor allem, daß zwischen der Rückkehr des Johannes Philagathos aus Byzanz (Böhmer-Uhlirz n. 1210 f.; zur Entsendung vgl. Böhmer-Uhlirz n. 1135 b) und seiner Erhebung zum Papst, anders als die Quellen zunächst vermuten lassen, ein Intervall von mehreren Monaten anzunehmen ist. In dieser Zeit hat sich Johannes Philagathos wohl in Norditalien, in seiner Abtei Nonantola, aufgehalten. Über die näheren Umstände der Papsterhebung gehen die Quellenaussagen auseinander; vgl. die Besprechung bei Uhlirz 511 ff. und dazu Zimmermann 106 ff. Zumeist wird Crescentius für die Entstehung des Schismas verantwortlich gemacht; vgl. etwa Thietmar (Crescentius ... Johannem Calabritanum, Theophanu imperatricis dilectum comitem et tunc Placentinum antistitem, substituit), Ann. Quedlinburgenses (Crescentius ... Johannem quendam Calabritanum ... non tam papam quam apostatam constituens), Rodulf Glaber (... pontificem ... Crescentius ... expulit alterumque in eius loco subrogavit). Bonizo (MG. Ldl. I 582) sieht in der Papstwahl den Versuch des Crescentius, den Kaiser für eine Absetzung des in Rom unbeliebten Gregor V. zu gewinnen (si Johannem episcopum ... amictissimum regis, conlectaneum regine, pontificem ordinaret) und läßt (Perels 132) Johannes Philagathos zur Annahme der Papstwürde gezwungen werden (Johannes Placentinus episcopus ... dum Romam causa orationis veniret, a prefato Crescentio et a Romanis capitur, tenetur et, licet invitus, papa tamen infelix ordinatur Romanus): vgl. ebenso Romuald. Die Usurpation des Philagathos betont dagegen stärkstens Johannes diac. (Johannes Grecus Placentinae aecclesiae presul ... Romam adivit, qui dum apostolicam sedem ... vacuam repperiret, invadere contra imperiale decretum minime formidavit); vgl. ähnlich über die antikaiserliche Haltung des Johannes Philagathos Ann. Altahenses und Vita Meinwerci. Zu dem von Johannes diac. erwähnten imperiale decretum vgl. Böhmer-Uhlirz n. 1217 h und dazu Zimmermann 107. Möglicherweise ist kein Spezialdekret anzunehmen, das Otto III. während der Verhandlungen des Johannes Philagathos mit dem Kaiserhof im Herbst 996 erließ, sondern nur allgemein Bestimmungen über die kaiserlichen Rechte bei der Papsterhebung. Daß diese simonistisch erfolgte, wurde erst später behauptet; vgl. Martin v. Troppau (MGSS. XXII 432: Crescentius consul Urbis Placentinum episcopum de legatione Constantinopolitana cum magna pecunia redeuntem in papatum intrusit) und Andrea Dandolo (data pecunia per consulem Urbis creatus est), ähnlich auch Tholomeus v. Lucca und Paulinus Minorita. Laut den Ann. Hildesheimenses hat Johannes Philagathos den Vorschlägen des Crescentius nachgegeben (Johannes Placentinus episcopus Constantinopoli remeans, Romam intromissus, apostolicam sedem factione Crescentii invaserat); vgl. ähnlich Arnulf v. Mailand (consultu et ope quorundam civium Romanorum, praecipue Crescentii ... apostolicam sedem iam violenter invaserat). Seinen Einfluß auf die Papsterhebung deutet auch der byzantinische Gesandte Leon (vgl. über ihn n. 767) in seinen zitierten Briefen an; vgl. bes. Brief 6 (Darrouzès 169: ... ὅτι πάπαν τὸν Φιλάγαθον πϱοεχειϱισάμην) und Brief 9 (Darrouzès 171: τὴν ‘Ρώμην εἶδον ... ἄνδϱα αὐτῆ δέδωϰα τὸν ἀϱχιεπίσϰοπον Φϱαγγίαϛ) sowie außer den genannten Aufsätzen von Schramm auch Michel, Humbert und Kerullarios I 15 und Grumel in Rev. des ètudes byz. 10/1952, 15, aber auch schon Hergenröther, Photius III 723. Der Gesandte scheint eine sehr undurchsichtige Politik getrieben zu haben, da er immer wieder seine Abneigung gegen Philagathos betont. Vgl. zu den Verbindungen mit Byzanz auch n. 767 und n. 801. Laut Arnulf v. Mailand soll Johannes XVI. geplant haben, das abendländische Kaisertum wieder den Griechen auszuliefern; vgl. darüber n. 801. Daß er, um sich bloß seinen geistlichen Amtspflichten zu widmen, die weltliche Regierung Roms dem Crescentius überlassen habe, wird von Bojardo (Muratori, SS. XI 322) behauptet. Johannes XVI. erhält in den Quellen häufig die Ordnungszahl XVII.; vgl. dazu n. 740. In der Zählung der römischen Bischöfe erscheint er als 143., 144. oder 145. Vgl. über die Revolte des Crescentius Nomentanus auch Zimmermann, Dunkle Jh. 259 f.

Nachträge

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Empfohlene Zitierweise

RI II,5 n. 784, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/0997-02-00_1_0_2_5_0_825_784
(Abgerufen am 24.04.2024).