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RI II Sächsisches Haus (919-1024) - RI II,5

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Papst Benedikt (VI.) gibt den deutschen Erzbischöfen, dem Kaiser Otto (II.) und dem Bayernherzog Heinrich (II.) sowie allen Großen Galliens und Germaniens bekannt, daß auf durch zwei Priester überbrachte Bitten des Erzbischofs (Pilgrim) von (Passau-)Lorch sowie auf Grund vorgelegter Privilegien, welche bezeugen, daß Lorch zur Zeit des Papstes Symmachus Metropole Pannoniens (diocesibus Pannonię) gewesen sei, dieser Kirche (sanctę Lauriacensi ęcclesię) der infolge von Barbareneinfällen verlorene Metropolitanrang besonders im Gebiet der Ungarn (confinio Ungrorum) bestätigt und dem Erzbischof die im Missionsgebiet der Ungarn, Mährer und benachbarten Slawen (Ungrorum atque Marauorum sive etiam aliis multis provintiis Sclauorum suę parochię finitimis) zu ordinierenden Bischöfe unterstellt wurden, was infolge der Besiegung der Barbaren durch Kaiser (Otto I.) möglich geworden sei; löst Lorch als selbständiges Erzbistum aus der Kirchenprovinz Salzburg (ab omni Salzburgensis ęcclesię eiusque presulum subiectione ac ditione absolvismus et honore metropolitano sublimamus), da die Salzburger Metropolitanrechte jünger als die Lorcher seien und unter Ausnützung der durch die Barbaren verursachten Notlage Lorchs erworben wurden; weist zur Vermeidung von Streitigkeiten gemäß dem Privileg Agapits (II.) (n. 217) Salzburg die Bischöfe Oberpannoniens als Suffragane zu (superioris Pannonię episcopos habeat suffraganeos), Lorch aber die Territorien von Unterpannonien und Mähren (inferioris Pannonię atque Mesię regiones, quarum provintię sunt Auaria atque Marauia) als Sprengel zu, wo es einst sieben Suffraganbistümer besaß; entscheidet gemäß einem Dekret Papst Gregors (I.) für England, daß von den beiden Erzbischöfen der in der Weihe Ältere jeweils den Vorrang haben solle; verbietet jedem, sich im Sprengel des anderen Rechte anzumaßen; bestätigt Pilgrim als Erzbischof von Lorch, verleiht ihm das Pallium und ernennt ihn gemäß den alten Rechten seiner Kirche zum päpstlichen Vikar für seine Provinz (in provinciis Auarię et Marauię regionum quoque inferioris Pannonię sive Mesię et in contiguis sibi Sclauorum nationibus circumquaque manentium) mit dem Recht, nach dem Beispiel früherer Lorcher Erzbischöfe zur Mission Bischöfe und Priester zu ordinieren. ‒ Oportet iustis supplicantum peticionibus ...

Überlieferung/Literatur

Org.: Kop.: 1) 12. Jh., Wien Nat.Bibl.: Cod. 1051 fol. 82v. 2) 12. Jh., Köln Stadtarch.: Ms. W 129* fol. 7v. 3) 14. Jh., Wien Nat.Bibl.: Cod. 2240* fol. 6. Erw.: Magnus v. Reichersberg, Ann. 971 (MGSS. XVII 444); Magnus v. Reichersberg, Chr. (MGSS. XVII 485); Ano. Zwetlensis (Migne, PL. 213, 1028); (Bernardus Noricus), Hist. (MGSS. XXV 656). Drucke: Lazius, Commentarii 1247 u. 1285; Gewold, Varia 29; Cocquelines, Bull. I 277; Mansi, Coll. XIX 52; Migne, PL. 137, 315; Dümmler, Piligrim von Passau 122; UB. des Landes ob der Enns II 715; Tomassetti, Bull. I 441; Lehr, Pilgrim 48; Gombos, Cat. 1299 (fragm.).; Magnae Moraviae fontes III 273; Marsina, Cod. dipl. Slovaciae 144; Zimmermann, PUU. 436 n. † 223. Reg.: J. 2893; JL. † 3771; Wagner, UB. Burgenland I 13 n. 24; GP. I 15 n. † 34 u. 166 n. † 19, IV/4, 79 n. † 76, VI 49 n. † 58, VII/1, 49 n. † 116 u. X/1, 47 n. † 72. Lit.: Dümmler, Piligrim von Passau 51 ff.; Hacke, Palliumverleihungen 15; Uhlirz, Jahrbücher Otto II. 98; Lehr, Pilgrim von Passau, bes. 22; Heuwieser, Gesch. Passau I 63 ff.; Pelsõczi, Beziehungen 25; Bauerreiß, Kirchengesch. II 143; Wagner, Urkundenfälschungen 7 f.; Fichtenau, Urkundenfälschungen Pilgrims 90; Martí Bonet, Concesión del palio 150 f.

Kommentar

Zur weiteren handschriftlichen und gedruckten Überlieferung vgl. GP. I 166 n. † 19 u. Zimmermann, PUU. 437. Die Enzyklika Benedikts, die sich an die Erzbischöfe Robert von Mainz, Dietrich (I.) von Trier, Adalbert von Magdeburg, Gero von Köln, Friedrich von Salzburg und Adaldag von Bremen richtete (vgl. auch Goerz, Reg. I 299 n. 1047, Böhmer-Will, Reg. I 117 n. 5, Stimming, Mainzer UB. I 132 n. † 215, Oediger, Reg. I 157 n. 511), gehört zu den Fälschungen Pilgrims von Passau (vgl. n. 120). Auch die zitierten historiographischen Quellen, die von der Verleihung des Pallium und der Erteilung eines bes. Legationsauftrages an Pilgrim berichten, schöpfen aus der Urkunde. Dieser käme nur insofern Echtheit zu, als man sie als mißglückten, vom Papste nicht akzeptierten Entwurf Pilgrims für das durch n. 513 erbetene Privileg verstehen kann, also als eine sich nicht bestätigte Empfängerherstellung, wofür auch die noch fehlende Datierung sprechen könnte. Es ist jedoch fraglich, ob n. 513 und damit auch der Entwurf überhaupt nach Rom abgesandt wurde. Inhaltlich deckt sich das Schreiben mit den Behauptungen der übrigen Lorcher Fälschungen und fußt auf der Tradition von einem spätantiken Erzbistum in Lorch, dessen Sitz infolge der Awarenkriege nach Passau verlegt wurde, seinen Metropolitanrang aber an Salzburg verlor. Gegen die Echtheit spricht die kanzleiwidrige Anrede der Erzbischöfe in der Adresse als filii, die Reihung der Namen in der Adresse, wo Magdeburg als das jüngste Erzbistum gleichwohl vor Köln und Bremen genannt wird, und auch die Umstellung des Protokolls, wo zuerst die Inskription steht und dann die Intitulation in der ungewöhnlichen Form Benedictus divina gratia preditus apostolicę sedis pontifex, servus autem servorum Dei folgt. Als Vorlage diente ein Privileg Leos III. für Salzburg (GP. I 9 n. 10) und eine Urkunde Ludwigs des Frommen (Böhmer-Mühlbacher n. 790). Das für Palliumverleihungen übliche Formular des LD. erscheint nirgends benützt. Zur Erwähnung des Papstes Symmachus vgl. GP. I 159 n. † 1, zur Entscheidung Gregors I. JE. 1829 und Zimmermann, Rechtstradition 133. Weiters wird bezüglich der Nichtaufhebbarkeit der älteren Lorcher Rechte durch die jüngeren Salzburgs auf eine Rechtsansicht angespielt, die sich auch in einem Privileg Ottos I. von 968 (MG. DO. I 367) findet: quę conditio testimonii etiam apud secularia iudicia viget et prevalet. Für die Datierung ist maßgebend, daß Kaiser Otto II., der Sohn des Ungarnbesiegers Otto I., als regierend erscheint (nach Mai 973) und ebenso Heinrich II. von Bayern, der Ende Juni 974 seines Amtes entsetzt und verhaftet wurde (Böhmer-Mikoletzky n. 667 b). Daraus ergibt sich, daß Benedikt VI. als Aussteller gedacht war. Vgl. zur Datierung und überhaupt zur Fälschung auch die zitierte Arbeit von Fichtenau. Zur Identifizierung Mösiens mit Mähren vgl. Büttner in Rhein. Vierteljahrsblätter 30/1965, 10 ff., wo daraus geschlossen wird, daß die Fälschung den Plänen zur Errichtung einer aus dem Erzbistum Mainz unterstehenden Kirchenorganisation in Böhmen und vor allem in dem von Passau beanspruchten Mähren (vgl. n. 512) entgegenwirken sollte.

Nachträge

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Empfohlene Zitierweise

RI II,5 n. †514, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/0973-05-00_3_0_2_5_0_544_F514
(Abgerufen am 28.03.2024).