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RI I Karolinger 715-918 (926/962) - RI I,3,2

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Placitum in Gegenwart König Berengars (ubi domnus Berengarius gloriosissimus rex preerat) in der Pfalz zu Pavia in laubia maiore ... ubi sub Tederico dicitur, unter Vorsitz des Bischofs Johannes (II.) von Pavia und des Vasallen und Königsboten Grimoald, im Beisein der Bischöfe Garibald von Novara, Eginulf (Hegilulfus) von Turin und Geroard von Tortona, der Grafen Eurard (Everard) und Gotefred, der Königsrichter Aldegrausus, Petrus, Vualpertus, Eginulfus, Adalbertus, eines weiteren Adelbertus, Aquilinus, Farimundus, Simpertus, eines dritten Adalbertus, Gotefredus und Stadalbertus, der (Königs-) Vasallen Vualcausus, Azo und Bono, des Miraster camerarius domni regis, sowie der notarii domni regis Petrus, Sichardus und Aripertus: Bischof Sebastianus von Vercelli legt zusammen mit seinem advocatus, dem Königsrichter Aginulf, ein (inseriertes) Präzept Berengars vor, in dem dieser der Kirche von Vercelli die Abtei Lucedio übertragen hatte ( Schiaparelli, I Diplomi di Berengario I, Nr. † 5, von 900 Juli 8 [Reg. † 1104]). Nach der Verlesung verzichten Bischof Garibald von Novara und sein advocatus Adalgisus de Calpiniano auf ihre Ansprüche und bezeichnen das umstrittene Kloster ausdrücklich als Besitz der Kirche von Vercellli. - Radaldus not. ex iussione der Iudices. - Unterschriften der Vorsitzenden, der Bischöfe Eginulf (von Turin) und Geroard (von Tortona), der beiden Grafen und zahlreicher Iudices. - a. r. Be. 14, Ind. 3. - "Dum in Dei nomine".

Originaldatierung:
(Mart., Papia in sacro palatio)

Überlieferung/Literatur

Kopien: Vercelli, Arch. Capitolare, Diplomi, n. 3, Kopie 11. Jh. (B); ebd., vol. n. 3: Privilegi di Vercelli, 16. Jh., fol. 98, aus B. Mehrere jüngere Kopien von B verzeichnet Schiaparelli, I Diplomi di Berengario I, S. 377. - Drucke: Mon. hist. patr., Chart. I, Nr. 58 S. 97-100; Schiaparelli, I Diplomi di Berengario I, Nr. † 6 S. 377-380 (ohne das inser. D † 5); Manaresi, Placiti I, Nr. † 1 S. 601-605. - Regg.: Hübner, Nr. 828; Le carte dell'Arch. Capit. di Vercelli I, Nr. 3 S. 1; Bertano, Storia di Cuneo II, S. 173; Fainelli, CD Veronese II, Nr. 55 S. 61. Vgl. schon Ferrerius, S. Eusebii Vercellensis ep. vita, S. 140-141. Weitere Erwähnungen in der älteren Lit. verzeichnet Schiaparelli, ed. cit., S. 377.

Kommentar

Die Bedenken Schiaparellis und ihm folgend Manaresis gegen die Echtheit des Placitum hat Gabotto, Un contrasto, mit beachtlichen Argumenten zu zerstreuen versucht, ohne indes ganz überzeugen zu können (vgl. schon Reg. † 1104). In formaler Hinsicht ist das Placitum - mit Ausnahme des inserierten Spurium - weitgehend einwandfrei. Für ein Machwerk des 11. Jahrhunderts wird man das Stück deshalb schwerlich halten wollen. Die entscheidenden Bedenken entzünden sich indes am angeblichen Datum 901 März (so das 14. Regierungsjahr Berengars) oder 900 März (so die 3. Indiktion). Da Ludwig III. bereits am 25. März 901 nach seiner Rückkehr von Rom in Pavia geurkundet hat (das vorige Reg.), müßte man im ersteren Fall annehmen, daß Berengar den Romzug seines Rivalen ausgenutzt hätte, um in Pavia zeitweilig (etwa Anfang März) wieder Fuß zu fassen. Es gibt aber überhaupt kein Anzeichen dafür, daß Berengar, der zuletzt im November 900 in Triest bezeugt ist (Reg. 1116), sein angestammtes Herrschafts- und Rückzugsgebiet im Nordosten Italiens zu Beginn des folgenden Jahres tatsächlich verlassen hat. Daß er Anfang März mit großem Gefolge in Pavia residiert haben und etwa Mitte März vor seinem mit der Kaiserwürde ausgezeichneten Rivalen ohne Gegenwehr aus Pavia gewichen sein sollte, kann man sich auch dann schlecht vorstellen, wenn man das diesbezügliche Schweigen der Quellen einmal unberücksichtigt läßt. Erst im August 901 ist Berengar wieder nachweisbar, und sicherlich nicht zufällig immer noch in Verona (Reg. 1141). Gegen eine Datierung nach der Indiktion in den März 900 (Berengar hat sich im März 900 tatsächlich in Pavia aufgehalten: Reg. 1099) spricht das inserierte Spurium, das auf Juli 900 datiert ist. Wollte man das Datum 900 März retten, müßte man annehmen, daß ein damals ausgestelltes authentisches Placitum später durch die Inserierung des Spuriums verfälscht wurde. - Zu dem auch sonst begegnenden Tagungsort des Gerichts in der laubia maior sub Tederico (= Theoderico) (vgl. Reg. 1250) vgl. Brühl, Fodrum I, S. 423f. (Lit.). Der Name leitet sich von einer Reiterstatue her (sogen. Regisole), die man für eine Theoderich-Statue hielt und die in langobardischer oder frühkarolingischer Zeit angeblich (es liegt wohl eine Verwechslung mit der Aachener Reiterstatue vor) von Ravenna nach Pavia gebracht worden sein soll; s. auch Bougard, Justice, S. 215. - Bischof Sebastianus von Vercelli ist nur hier und in dem inserierten Spurium nachweisbar. Falls sein Name authentisch ist, müßte es nach dem Tod Liutwards von Vercelli im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen zwischen Berengar und Ludwig III. in Vercelli zu einem Schisma gekommen sein, ist doch am 23. März 901 (Reg. 1131) dort Bischof Anzelbert als Anhänger Ludwigs III. bezeugt; vgl. Savio, Vescovi. Piemonte, S. 447-450. - Zu Bischof Johannes II. von Pavia s. Reg. 1085. Grimoald, wohl der spätere Graf von Verona, wird auch in dem inserierten Spurium genannt (Reg. † 1104). Bischof Garibald von Novara hat Ludwig III. nach Rom begleitet, so daß seine Erwähnung hier wenig glaubwürdig ist. Bischof Eginulf von Turin ist nicht weiter nachweisbar ( Savio, Vescovi. Piemonte, S. 325f.), vielleicht ist Bischof Hegilulf (so sein Name in der Zeugenliste) von Asti gemeint, der in Reg. 1140 (allerdings als Parteigänger Ludwigs DI.) begegnet. Auch Bischof Geroard von Tortona läßt sich um 900 nicht ohne Schwierigkeiten in der Bischofsliste von Tortona unterbringen; vgl. Savio, Vescovi. Piemonte, S. 383. Nicht viel besser steht es um die Identität der beiden anschließend genannten Grafen. Ein Graf Everard (Eberhard) von Tortona ist 899 verstorben; vgl. Hlawitschka, Franken, S. 179-181; Reg. 1035. Zu einem um Asti begüterten Grafen Gotefred, der Ludwig III. nach Rom begleitet hat (Reg. 1126), vgl. Hlawitschka, Franken, S. 189. Auch wenn sich viele der dann genannten Königsrichter (vgl. Radding, passim) in anderen Urkunden Berengars oder seiner Rivalen nachweisen lassen, geben die Personen des Umstands insgesamt doch zu solch starken Bedenken Anlaß, daß das Fälschungsverdikt auch auf diesem Wege gestützt wird.

Nachträge

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Empfohlene Zitierweise

RI I,3,2 n. †1133, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/0900-03-00_1_0_1_3_2_1137_F1133
(Abgerufen am 29.03.2024).