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RI I Karolinger 715-918 (926/962) - RI I,2,1

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Karl kommt in das 12 Leugen von Orléans entfernte Fleury (agrum Floriacum in quo Sancti Benedicti monasterium consistit), empfängt dort Pippin (II. von Aquitanien), nimmt dessen Treueide (sacramentis fidelitatis) entgegen, denen zufolge Pippin ihm künftig wie ein Neffe dem Onkel treu sein und ihm in allen Notlagen Hilfe leisten werde (ipsi pro uiribus auxilium ferret), und überläßt ihm die Herrschaft über ganz Aquitanien (totius Aquitaniae dominatum ei permisit) mit Ausnahme von Poitou, Saintonge und Aunis; daraufhin bemühen sich auch alle diejenigen Aquitanier, die bislang Anhänger Karls waren, zu Pippin überzugehen.

Überlieferung/Literatur

Ann. Bertiniani ad a. 845, ed. Grat, S. 50; Kanon V der Synode von Soissons, 853 April, MGH Conc. III, Nr. 27, S. 281 Z. 24-S. 282 Z. 1 (optinente Pippino ... Aquitaniam, etiam consentiente avunculo eius, glorioso rege Karolo, cui eadem provintia in partem optigerat).

Kommentar

Die Ann. Bertiniani geben außer der Plazierung des Berichts in das Zentrum der Nachrichten zu 845 keine Hinweise zum Zeitpunkt; da Karl am 13. Juni im Kloster Saint-Benoît urkundete (D 71), ist ein Zusammenhang mit diesem Aufenthalt höchstwahrscheinlich, und die Einigung ist vor der Ausstellung von D 71 anzunehmen, da der Empfänger von D 71, Saint-Florent-le-Vieil, zum ausdrücklich Karl vorbehaltenen Gebiet des Poitou gehörte oder doch an dessen Rand lag. Vgl. auch Auzias, S. 218 Anm. 9, der für das Treffen die erste Hälfte Juni annimmt; dagegen vermuten Lot / Halphen, S. 149 m. Anm. 2, ein Treffen im Juni oder Juli, nach der Synode von Meaux, und gehen bei D 71 von uneinheitlicher Datierung aus; Juni / Juli als Zeitpunkt nennt auch Guillotel, L'action, S. 14, und Ders., Le temps des rois, S. 263. -- Zum Ausstellort Saint-Benoît-sur-Loire, wo Karl sich vielleicht 841 nach der Schlacht von Fontenoy bereits aufgehalten und dem Kloster eine Schenkung gemacht hatte, siehe Reg. 231; er liegt 200 km vom zuletzt bezeugten Aufenthaltsort Karls, Compiègne (Reg. 484), entfernt, etwa 30 km loireaufwärts von Orléans, im aquitanisch-burgundischen Grenzgebiet; Karls Itinerar in der Zwischenzeit ist unbekannt. -- Die Einigung war von Bischof Ebroin von Poitiers, den Karl beauftragt hatte (Reg. 462), und wahrscheinlich Erzbischof Radulf von Bourges (dazu Levillain, L'archichapelain Ebroin, S. 194; Auzias, S. 217f.; Nelson, Charles the Bald, S. 143) vorbereitet worden. Anwesend war außer diesen beiden u. a. wohl auch Prudentius von Troyes, dessen ausführlicher Bericht in den Ann. Bertiniani auf Teilnahme schließen läßt. -- Zur Ausdehnung der Gebiete, die Karl sich selbst vorbehielt -- mit Poitou, Saintonge und Aunis die gesamte Region zwischen Loire und Gironde --, und zur Korrektur der in der älteren Literatur zu findenden Identifizierung von Elinenses mit dem Angoumois (statt korrekt mit Aunis) vgl. Grat, a.a.O., S. 50 Anm. 2. Die ökonomische und strategische Bedeutung der Gebiete betont Nelson, The Annals of St-Bertin, S. 61 Anm. 5, und Dies., Charles the Bald, S. 143f. -- Zur Interpretation der getroffenen Vereinbarungen vgl. Lot / Halphen, S. 149-151, die in der Einigung einen diplomatischen Erfolg Karls sehen, der zudem Pippin II. von Lambert und der Bretagne getrennt habe; ähnlich Nelson, Charles the Bald, S. 143f.; für Dümmler, Geschichte I, S. 288f., erklärt sich das „gewaltige Zugeständnis“ Karls nur dadurch, daß er mit der Unzuverlässigkeit der aquitanischen Großen rechnete; von Mißerfolg und tiefer Demütigung spricht Auzias, S. 216-218. Als Belehnungsakt versteht Levillain, Le sacre de Charles de Chauve, S. 44-46, die Einigung; so auch Krah, Absetzungsverfahren, S. 94f.; die Unschärfe des bewußt gewählten Begriffs dominatus betont Nelson, Charles the Bald, S. 144. Vgl. umfassend Kienast, Studien, S. 61f. m. Anm. 63. -- Pippin II. urkundete im Dezember des Jahres für das Kloster Saint-Chaffre-du-Monastier im Velay, das sich zuvor von Karl seine Immunität hatte bestätigen lassen (Reg. 485) und dessen Abt Galterius offenbar als Folge der Abmachungen von Saint-Benoît nunmehr um Bestätigung der Rechte bei Pippin nachsuchte (D P. II. 51); im Text nennt Pippin Karl ausdrücklich patronus noster, sich selbst rex Aquitanorum (Reg. 510). -- Die Nachricht der Ann. Bertiniani, viele Anhänger Karls seien zu Pippin gewechselt, wird in einem Schreiben des Lupus von Ferrières von November 845 bestätigt (Lupus, Ep. 44, ed. Levillain, S. 185). -- Vgl. noch Auzias, S. 217-232; Levillain, Rezension von Auzias, S. 135-142; Kasten, Königssöhne, S. 429f.

Nachträge

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Empfohlene Zitierweise

RI I,2,1 n. 486, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/0845-06-13_1_0_1_2_1_486_486
(Abgerufen am 28.03.2024).