Regestendatenbank - 201.916 Regesten im Volltext

RI I Karolinger 715-918 (926/962) - RI I,2,1

Sie sehen den Datensatz 187 von insgesamt 610.

Karl berichtet, Lupus, Abt des Klosters Ferrières (venerabilis abbas Lupus ex monasterio quod vocatur integre Bethleem, vulgo Ferrarias), sei an ihn herangetreten (adiit maiestatem culminis nostri) und habe ihm neben anderen Privilegien älterer Könige für sein Kloster (praeter alia privilegia quae prisci reges loco cui praeesset contulissent) (Depp.) zwei Urkunden (praecepta) seines verstorbenen Vaters Kaiser Ludwig (d. Fr.) vorgelegt, deren eine den Mönchen das Recht der freien Abtswahl gewährte und den Abt aufforderte, das Kloster gemäß der Regel des hl. Benedikt zu leiten (Dep.; Lechner, Nr. 151), deren andere dem Kloster die Zelle Saint-Josse (cella Sancti Iudoci) im Gau Ponthieu (Pontiu) am Fluß Canche (Quantiam) im Ort Schaderias mit allen Pertinenzien schenkte, sie der Leitung der Rektoren von Ferrières unterstellte, ihre Erträge zur Beherbergung von Pilgern und etwaige Überschüsse zum Nutzen der Brüder (in usus fratrum) bestimmte sowie den Gebetswunsch pro firmitate eius imperii et incolumitate ipsius ac prolis eius äußerte (Dep.); Lupus habe außerdem eine Bestätigung der Immunitätsverleihungen (immunitatis edicta) der älteren Fürsten (priscorum principum) verlangt (flagitavit), ebenfalls in Berufung auf seinen (Karls) Vater (Ludwig d. Fr.); Karl bewilligt (indulsimus) dem Kloster daher das Recht der freien Abtswahl, bestimmt, daß die Zelle Saint-Josse zum Unterhalt der Mönche (ad subsidium monachorum) in der Herrschaft des Abts von Ferrières verbleibt, der sie wie eine Zelle des Klosters verwalten soll, gewährt Immunität mit Introitusverbot und verzichtet auf die seinem Fiskus zustehenden Abgaben zugunsten der Armen und des Unterhalts (stipendia) der Mönche. -- Gebetswunsch pro nobis et pro nostra posteritate ac stabilitate regni nobis a Deo commissi. -- Meginarius not. ad vicem Hludowici. -- M. SR. NN (Meginarius notarius advicem Ludovici recognovi et subscripsi. Ipse magister fieri et firmare iussit). SI D. -- a. r. 1, Ind. [...]. -- „Cum petitionibus“ .

Originaldatierung:
(VI. Id. Mai., Atiniaco palatio regio)

Überlieferung/Literatur

Or. Orléans, Arch. dép. du Loiret, Portef. Nr. 28 (A) (ARTEM 2786). -- Faks.: Recueil de fac-similés de chartes et manuscrits à l'usage de l'École des Chartes, Ancienne série, Nr. 748; Lot / Lauer / Tessier, Diplomata Karolinorum III, Taf. I Nr. 1; der tironischen Noten: Jusselin, Liste chronologique, S. 218 m. Abb. 1; Tessier III, Introduction, S. 193 Abb. 3. -- Drucke: Morin, La naissance, S. 141-145, aus A (?), ohne Rekognition; Morin, Histoire du Gastinois, ed. Laurent III, S. 176f., aus A, mit Faksimile des M = Jarossay, Ferrières-en-Gâtinais, Nr. 2 S. 445f.; D Ka. II. 3.

Kommentar

Die im Original nicht mehr lesbare Indiktion ergänzt Tessier entsprechend dem angegebenen 1. Regierungsjahr mit 4. Zum Ausstellort und zu Karls Itinerar siehe Regg. 184f. -- Zu den äußeren Merkmalen des ältesten erhaltenen Originals Karls und einem Dorsualvermerk in karolingischer Minuskel Tessier, Vorbemerkung, Anm. 1, und Ders. III, Introduction, S. 17, 56. Danach stammen die Signum- und wahrscheinlich auch die Rekognitionszeile vom Notar Meginarius, der Text aber von der Hand eines vom Empfänger gestellten Schreibers, in dem Tessier später (Originaux et pseudo-originaux, S. 68) Lupus selbst vermutete. Die Auflösung der tironischen Noten im Rekognitionszeichen folgt Jusselin, Liste chronologique, S. 218, und Tessier; vgl. auch Jusselin, Mentions tironiennes, S. 21. Ein Pergamentblatt (mit Dorsualvermerken des 16. und 17. Jh.) von denselben Ausmaßen wie D 3, augenscheinlich völlig radiert und ohne sichtbare Spuren von Schrift, mit einem runden Loch in der unteren rechten Ecke (SI D?) wird gemeinsam mit D 3 aufbewahrt, diente ihm als Umschlag und könnte Tessier, Vorbemerkung, Anm. 1, zufolge eine zweite Ausfertigung von D 3 gewesen sein. -- Die Arenga (Hausmann / Gawlik, Nr. 509) in ungewöhnlicher Stellung nach dem ersten Teil der Promulgatio ist singulär; vgl. zu ihr auch Fichtenau, Arenga, S. 50 Anm. 110; jedoch findet sich ein Teil (vel nova dona concedimus vel vetera confirmamus) wortgleich in D 273 für Saint-Amand wieder, und Tessier III, Introduction, S. 52, weist auf Parallelen zu D 4 hin. Zur Interpretation der Wendung adiit maiestatem culminis nostri und des Gebetswunsches vgl. Krah, Die Entstehung, S. 29. Der bereits in der Kanzlei Ludwigs d. Fr. tätige (nachweislich seit 826, vgl. BM2 824) Notar Meginarius wird in sieben Urkunden Karls als Rekognoszent genannt, zuletzt im Jahre 849 (DD 3, 22, 59, 67, 84, 98, 115); vgl. zu ihm Jusselin, La chancellerie, S. 7-11; Tessier III, Introduction, S. 54-57; Dickau, Studien II, S. 72-76; Worm, Karolingische Rekognitionszeichen I, S. 54f. -- Die in der ungewöhnlich ausführlichen Narratio erwähnten Urkunden Ludwigs d. Fr. für Ferrières sind beide verloren; die Verleihung des Rechts der freien Abtswahl mit der Verpflichtung auf die Regel des hl. Benedikt fehlt bei Lechner; die Schenkung der Zelle Saint-Josse verzeichnet Lechner, Nr. 151, nach den Erwähnungen in den Briefen des Lupus, jedoch ohne Bezug auf D 3, das offenbar recht ausführlich den Text einschließlich des Gebetswunsches inseriert. Die rund 300 km weit entfernt von Ferrières bei Montreuil gelegene Zelle Saint-Josse (dép. Pas-de-Calais, arr. und con Montreuil) hatte Karl d. Gr. Alkuin übertragen (Lupus, Epp., ed. Levillain, Nr. 19 S. 104; vgl. auch MGH Epp. VI, ed. Dümmler, Nr. 25 S. 66f., hier S. 66 Z. 20; ebd., Nr. 232 S. 376-378), Ludwig d. Fr. hatte sie auf Bitten Judiths den Mönchen von Ferrières geschenkt (Lupus, Epp., ed. Levillain, Nr. 19 S. 104; Nr. 42 S. 176; Nr. 49 S. 204); Lothar I., in dessen Einflußbereich die Zelle seit September 840 lag, übertrug sie einem gewissen Rhuodingus, woraufhin die Mönche unter ihrem Abt Odo den Kaiser umgehend um Wiederherstellung der alten Verhältnisse baten (Lupus, Epp., ed. Levillain, Nr. 19 S. 104). -- Bei den außerdem von Lupus vorgelegten, zweimal erwähnten Urkunden älterer Herrscher muß es sich, nimmt man den Text genau, um mindestens zwei, vielleicht mehr gehandelt haben, darunter Immunitätsprivilegien. Die Formulierungen prisci reges und prisci principes lassen an Merowingerherrscher denken, da man sowohl Ludwig d. Fr. wie Karl d. Gr. wohl mit Namen benannt hätte. Nicht auszuschließen ist, daß Karl das von Kölzer allerdings als zweifelhaft eingestufte D Merov. 73 Chlodwigs II. [639 Jan. 20 -- 642], das „Anklänge an ein Introitus-Verbot für Funktionsträger“ (Kölzer) aufweist, bestätigte. Bei DD Merov. 1 und 12 für Ferrières handelt es sich um Ganzfälschungen frühestens des 12. Jh.; vgl. Kölzer, Vorbemerkungen. D 3 hat dem Fälscher von D Merov. 12 in einigen Wendungen (Promulgatio, Besiegelungsbefehl) als Vorlage gedient; vgl. Kölzer, Vorbemerkung. -- Lupus erwähnt D 3 zweimal in seinen Briefen (Epp., ed. Levillain, Nr. 32 S. 148; Nr. 42 S. 176). -- Karl hat 843 noch ein weiteres Mal für Ferrières geurkundet (D 30). -- Zum Kloster Ferrières allgemein siehe Reg. 105, zum Petenten Lupus, seit 840 November 22 Abt von Ferrières, Reg. 131. Vgl. zur Zelle Saint-Josse, auf die Ferrières ihrer offenbar reichen Einkünfte wegen angewiesen war, auch Nusbaum, S. 49-67, der jedoch die Edition Tessiers nicht benutzt und DD 3 und 30 miteinander verwechselt, so S. 55 mit Anm. 10. -- Vgl. noch Lot / Halphen, S. 26 Anm. 9.

Nachträge

Nachtrag einreichen
Einreichen
Empfohlene Zitierweise

RI I,2,1 n. 187, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/0841-05-10_1_0_1_2_1_187_187
(Abgerufen am 20.04.2024).