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RI I Karolinger 715-918 (926/962) - RI I,4,3

Displaying record 140 of 727.

Eine unter Vorsitz Papst Johannes' (VIII.) in Rom tagende Synode faßt folgende Synodalbeschlüsse: (1.) der römische Primat (de primatu sanctae Romanae et apostolicae ecclesiae) wird hervorgehoben; 2. gewählte Metropoliten müssen spätestens drei Monate (nach ihrer Wahl) in Rom ihr Glaubensbekenntnis abliefern und das Pallium abholen lassen, (gewählte) Bischöfe sollen innerhalb von drei Monaten nach ihrer Wahl geweiht werden, andernfalls drohe ihnen die Exkommunikation; 3. Metropoliten dürfen gemäß Gregor (I.) (JE 1259 und 1377) ihr Pallium nur an den vom Papst festgesetzten Tagen und während der Messe tragen, andernfalls drohe ihnen die Absetzung; 4. Bischöfe sollen vor Übergriffen der Laien geschützt werden, 5. ebenso kirchliche Gebäude oder Personen, andernfalls drohe die Exkommunikation, bei Verweigerung der Genugtuung sogar das Anathem; 6. Räuber von Nonnen und anderen Frauen werden zusammen mit den Komplizen mit der Exkommunikation bedroht und im Falle der Unterlassung ausreichender Genugtuung mit dem Anathem; 7. Mord, Körperverletzung und Brandstiftung oder die Anstiftung dazu führen zum Ausschluß aus der Kirche, wenn auch nach zwei oder drei Ermahnungen keine Wiedergutmachung geleistet wurde; Diebe sollen 40 Tage bei Wasser und Brot büßen; 8. die Exkommunikation durch den apostolischen Stuhl oder durch andere Kirchen in Samnium, Kampanien, Picenum, Umbrien, Valeria, Tuszien, Flaminia, der Pentapolis und der Emilia (per Samniam, Campaniam, Picenum, Umbriam, Valeriam, Tusciam, Flamineam, Pentapolim et Emiliam) gilt auch in anderen Provinzen; diejenigen, die sich auch nach der dritten Ermahnung nicht bußfertig zeigen, werden dem Anathem unterworfen; 9. wer vor seiner Anhörung an der Kommunion teilnimmt, darf erst an seinem Lebensende wieder kommunizieren; wer wissentlich mit Exkommunizierten Kontakt pflegt, wird ebenfalls von der Kommunion ausgeschlossen; 10. wer nicht innerhalb eines Jahres um seine Wiederaufnahme ersucht, bleibt exkommuniziert; stirbt jemand ohne Kommunion, so ist er gemäß Papst Leo (I.) (JK 544) auch im Jenseits davon ausgeschlossen; 11. die Namen der Exkommunizierten sollen den benachbarten Bischöfen und den eigenen Pfarreien bekanntgegeben sowie öffentlich ausgehängt werden; 12. Bischöfe und Priester, die sich nicht an diese Vorgabe halten, werden ebenfalls exkommuniziert und nach der dritten Ermahnung dem kanonischen Urteil unterworfen; 13. kein Angeklagter, der sich von einem Herrn zum anderen flüchtet, darf aufgenommen werden, andernfalls werden er und derjenige, der ihn aufnimmt, exkommuniziert; 14. wer an drei Sonntagen hintereinander den Gottesdienst freiwillig versäumt, wird von der Kommunion ausgeschlossen; 15. die weltlichen Verwalter, die zum Schutz der Kirchen, der Waisen und Witwen sowie zur Abwehr von Raub eingesetzt worden sind, sollen sich bei den Bischöfen und Kirchenmännern einfinden, so oft sie dazu aufgefordert werden, und deren Angelegenheiten behandeln; kommen sie dieser Pflicht auch nach der dritten Ermahnung nicht nach, sollen sie bis zur angemessenen Genugtuung exkommuniziert werden; 16. Erzbischof Johannes (VII.) von Ravenna soll von den willkürlich festgelegten Abgaben, die er von seinen Bischöfen fordert, Abstand nehmen, damit nicht auch die Erzbischöfe von Mailand, Aquileia und anderen Kirchen versuchten, von solchen Methoden zu profitieren; widersetzt sich ein Erzbischof diesem Dekret, fällt er dem päpstlichen Urteil anheim, verharrt er in seiner Haltung, wird er abgesetzt; die zur Synode geladenen Bischöfe der Emilia haben sich für ihr unentschuldigtes Fernbleiben von der Synode innerhalb von vierzig Tagen zu entschuldigen, andernfalls würden sie exkommuniziert; (17.) kein Diakon der römischen Kirche soll gegen seinen Willen zum Priester geweiht werden; (18.) unrechtmäßige Ordinationen werden verboten.

Archival History/Literature

Druck: MG Conc. V 9-15; Maasen, Römische Synode 780-792.

Insert: Pseudo-Liutprand, Liber (Migne, PL CXXIX 1232) (nur 2-15, 18 fragm.).

Erw.: Synodalakten von Ponthion 876 (MG Conc. V 52).

Reg.: vgl. J 2256; vgl. JE 3021; Werminghoff, Synoden 647.

Lit.: Maasen, Römische Synode 773-780; Dümmler, Ostfränk. Reich II2 391; Lapôtre, Jean VIII 369 (ND 435); Hartmann, Gesch. Italiens III,2 15; Hefele-Leclercq, Hist. IV,2 640f.; Jasper, Pseudo-Liudprand 75f.; Hartmann, Synoden 344f.; Arnold, Johannes 159, 179-181; Scholz, Politik 236f.

Commentary

Innerhalb der Akten der Synode von Ponthion (vgl. n. 182) sind neun Odo von Beauvais zugeschriebene Kapitel enthalten; dort ist in c. 2 belegt, daß vor der Ankunft Karls des Kahlen in Rom (n. 144) eine Synode abgehalten wurde (congregata igitur in Romana urbe sancta synodo ante adventum praedicti domni imperatoris ...; MG Conc. V 52). Die 18 Kapitel, die zuerst Maasen in seiner Edition dieser Synode von Rom zugewiesen hat, sind ohne Datum in einer kanonistischen Sammelhandschrift des ausgehenden 9. oder beginnenden 10. Jh. überliefert, vgl. dazu Hartmann, Synoden 344 Anm. 4 sowie MG Conc. V 8. Zu den einzelnen Beschlüssen siehe Hartmann, Synoden. Zu Anklängen an die pseudoisidorischen Fälschungen vgl. Maasen 780 sowie Fuhrmann, Pseudoisidorische Fälschungen II 283. Die Kanones 2-15 und ein Satz aus 18 sind teilweise stark verkürzt in den Liber des Pseudo-Liutprand inseriert und fälschlich Papst Honorius I. zugewiesen, vgl. Jasper. Ein Großteil der Kanones ist auf der Synode von Ravenna (n. 272) wörtlich oder kaum verändert wiederholt worden. Einige Bestimmungen fanden zudem Eingang in die kanonistische Überlieferung, wobei hier nicht immer eindeutig zu entscheiden ist, ob die Sammlungen letztlich auf die Konzilskanones von Rom 875 oder Ravenna 877 zurückgehen, vgl. MG Conc. V 9. Zu c. 5 vgl. auch die ähnlichen Bestimmungen in n. 3 sowie n. 421. Der in c. 16 bedrohte Erzbischof Johannes von Ravenna, war wegen seiner Regelung der Abgaben bereits von Papst Leo IV. und Papst Nikolaus I. getadelt worden, vgl. Böhmer-Herbers n. 279 und Böhmer-Herbers n. 507, zu den Auseinandersetzungen zwischen dem Erzbischof und der römischen Kirche vgl. n. 21, n. 48 und Buzzi 115-127. Im Rahmen der Synode wurden wohl auch Schreiben an König Ludwig den Deutschen und seine Söhne sowie die kirchlichen und die weiteren Großen seines Reiches verfaßt, die ihn bzw. seine Söhne von einem Einfall ins Westfrankenreich abhalten sollten, vgl. dazu n. 141. Karl der Kahle traf, wie aus dem Bericht Hinkmars in den Ann. Bertiniani a. 875 (Grat 199) hervorgeht, am 17. Dezember in Rom ein, vgl. n. 144, woraus sich der Terminus ante quem für die Synode ergibt. Eine Privilegienbestätigung für das Kloster Fulda vom 3. Oktober (n. 142) läßt darauf schließen, daß sich zu diesem Zeitpunkt eine Gesandtschaft in Rom befand, die im Auftrag Ludwigs des Deutschen mit dem Papst verhandeln sollte. Da die Synode möglicherweise auch in Zusammenhang mit diesen Verhandlungen zu bringen ist (Johannes VIII. könnte von der Gesandtschaft über das Vorhaben Ludwigs des Deutschen informiert worden sein), ist sie auf Oktober bis Mitte Dezember zu datieren.

Nachträge

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Cite as:

RI I,4,3 n. 140, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/de64720c-1ff9-490a-b6d0-99611ed565fe
(Accessed on 28.03.2024).