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RI I Karolinger 715-918 (926/962) - RI I,4,3

Displaying record 403 of 727.

Der ehemalige Bischof Hinkmar von Laon berichtet Papst Johannes (VIII.) (domne et summe patrum et rector pontificum, Iohannis nomine et meritis vocate), er sei von Erzbischof (Hinkmar) von Reims zu einer in der ersten Augustwoche zusammengetretenen Synode bei Douzy (871) (MG Conc. IV 410-572) geladen und auf dem Weg dorthin von den Leuten des Erzbischofs festgenommen worden, auf der Synode habe er König Karl (den Kahlen) vorgefunden, welcher ihn verdächtigte, (Boten) nach Rom geschickt zu haben, um Karl anzuklagen, und dadurch Meineid geleistet zu haben, worauf er, Hinkmar, vergebens der Synode eine Rechtfertigungsschrift vorlegen wollte – da der Erzbischof von Reims sie ausgehändigt bekommen wollte – und behauptete, seine Begleiter hätten sich für den Kleriker Bertharius ausgesprochen, wenn sie hätten kommen dürfen; er habe sich auf die Fragen des Erzbischofs über die Anschuldigung des Königs hin beschwert, nicht gemäß den Kanones behandelt worden zu sein, und um das Eingreifen des Papstes gebeten und sei niedergekniet; dabei habe er die Dekretalen der Päpste Julius (I.) (JK †195) und Felix (I.) (JK †142) über die Appellation der Bischöfe (nach Rom) in den Händen gehalten, doch die Bitte und das ihm, Hinkmar, vormals überreichte päpstliche Schreiben (Hadrians II.) (JE 2945) hätten keinen Erfolg gehabt, denn Hinkmar von Reims habe ihn abgesetzt, schließlich sei er zwei Jahre verbannt, geblendet und weiter festgehalten worden; er erbittet (exoro) vom Papst ein gerechtes Urteil (ęquitatis iudicium), denn nach den Kanones und den Dekreten der Päpste (secundum canonicam institutionem et decreta Romanorum pontificum) habe er unter Schutz zu stehen.

Incipit:
Domne et summe pater patrum ...

Archival History/Literature

Orig.: –.

Kop.: 11. Jh., Rom Arch. Vat.: Reg. Vat. I fol. 49v; 16. Jh., Rom Arch. Vat.: Arm. XXXI, t. 1 fol. 89r.

Drucke: Carafa, Epist. III 380.; Baronius, Ann. eccl. a. 878 c. 20; Sirmond, Conc. Gall. III 482; Conc. coll. reg. XXIV 452; Labbe-Cossart, Conc. IX 315; Coleti, Conc. XI 317; Hardouin, Acta conc. VI, 1 199; Mansi, Coll. XVII 352 n. 9; Gousset, Actes de la province ecclésiastique de Reims I 467; Migne, PL CXXIV 1071; Bouquet-Delisle, Recueil IX 302; MG Epist. VII 94f. n. 101; MG Conc. V 97f.

Reg.: McKeonl, Hincmar of Laon 178 n. 171.

Lit.: Schrörs, Hinkmar 424; Dümmler, Ostfränk. Reich III2 87; Hefele-Leclercq, Hist. IV,2 670; Lohrmann, Register Johannes 180; Fuhrmann, Pseudoisidor. Fälschungen III 671f.; McKeonl, Hincmar of Laon 161-164; Fuhrmann, Fälscher unter sich 237-254; Hartmann, Synoden, 321-327; Arnold, Johannes 35, 144f.

Commentary

Die Klageschrift Hinkmars von Laon ist nur in den erwähnten Registerabschriften überliefert, vgl. zu diesen Caspar, Register Johanns 85-99 und Lohrmann 5-156. Es ist das einzige dort erhaltene Einlaufstück. Die Überschrift lautet: Reclamatio et proclamatio Hincmari, qui condam preeram ecclesię Laudunensi. Im Synodalprotokoll von Troyes wird ein libellus erwähnt, der gegen Hinkmar von Reims eingereicht wurde. Unklar ist dabei, ob die Schrift von dessen gleichnamigen Neffen gemeint ist, vgl. MG Conc. V 94 und Schrörs 425 Anm. 55. Hinkmar hatte sich gegenüber dem Papst nicht nur gegen die Vorwürfe zu verteidigen, die seine Gegner ihm bezüglich der Absetzung seines Neffen Hinkmar von Laon und der Weihe von dessen Nachfolger Hedenulf machten, zu den einzelnen Anklagen vgl. Flodoard von Reims, Hist. III 21 (MG SS XXXVI 273). Zu den Hintergründen der Klage Hinkmars von Laon vgl. Dümmler, Ostfränk. Reich II2 323-329. Eine schriftliche Entscheidung des Papstes als Antwort auf die Klageschrift ist nicht überliefert, Lohrmann vermutet eine mündliche Antwort. Trotzdem sind die Ergebnisse in großen Linien bekannt (vgl. n. 405): Den Ann. Bertiniani a. 878 (Grat 228) zufolge blieb der 877 geweihte Nachfolger Hinkmars von Laon Hedenulf (vgl. n. 264) zwar im Amt, doch der abgesetzte Bischof erhielt das Recht, die Messe zu lesen, und konnte Einkünfte aus den Besitzungen der Kirche von Laon beziehen. Seine Anhänger führten ihn in die Kirche, wo die Synode tagte, und er konnte die Konzilsteilnehmer segnen, vgl. Dümmler 97 und Schrörs, Hinkmar 425. Die Ann. Vedastini a. 878 (MGH SS rer. G. [12] 43) behaupten hingegen, Hinkmar von Laon sei von allen Beschuldigungen freigesprochen worden, er habe auf Geheiß des Papstes die Messe gelesen. Die Continuatio prima des Chr. Ados von Vienne (MG SS II 325), das Chr. Francorum (Bouquet, Recueil VIII 300) und Hugo von Fleury, Compilatio (Couderc, Note sur une compilation 474) berichten fälschlich, auf der Synode von Troyes habe Hinkmar von Laon seine Bischofswürde zurückerlangt. Hinkmar erscheint in den Unterschriftenlisten der Synode von Troyes (ebenso wie Hedenulf) mehrfach als Bischof von Laon (vgl. MG Conc. V 135 und 141). Über ein späteres in der Sache Hinkmars von Laon ergangenes Schreiben Johannes' VIII. an Hinkmar von Reims vgl. n. 433. Über das Ende des Bischofs von Laon vgl. Flodoard von Reims, Hist. III 24 (MG SS XXXVI 326). Die Klageschrift trägt kein Datum. Die Bezüge zur Synode von Troyes erlauben es jedoch, die Datierung auf die Konzilsdauer (vgl. n. 405) zu begrenzen. Der oben angegebene etwas breitere Zeitraum resultiert beruht auf der Überlegung, daß Hinkmar die Klageschrift bereits vor Beginn der Synode überreicht haben könnte.

Nachträge

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Cite as:

RI I,4,3 n. 403, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/d9515fd7-5f87-48e4-9a4e-97b9e3e2d8cf
(Accessed on 28.03.2024).