Regesta Imperii - Online Quellen zur Reichsgeschichte

Johannes VIII. - RI I,4,3 n. 450

(878 November–Dezember)

URI Mark

Papst Johannes (VIII.) beschwert sich gegenüber König Karl (III.) (dilecto [filio] Karolo glorioso regi), daß keiner der Könige außer Ludwig (der Stammler) sich – trotz vorangegangener Gesandtschaften und Briefe (vgl. n. 335, n. 344, n. 345, n. 350 und n. 396) – während seiner Reise ins Frankenreich (vgl. n. 334) mit ihm getroffen habe, um das (Kaiser)pactum zu erneuern, teilt Karl mit, er habe auf Rat König Ludwigs den princeps Boso (von Vienne) adoptiert (n. 365), damit dieser sich weltlichen Belangen widme und er selbst sich Gott betreffenden Angelegenheiten; er fordert ihn auf, sich mit seinem Reich zufrieden zu geben und die Ruhe zu wahren, denn er werde alle exkommunizieren, die einen Aufstand gegen Boso wagen.

Originaldatierung:

Data ut supra.

Incipit:

Servans fidem Francorum regibus secundum ...

Archival History/Literature

Orig.: –.

Kop.: 11. Jh., Rom Arch. Vat.: Reg. Vat. I fol. 53^r; 16. Jh., Rom Arch. Vat.: Arm. XXXI, t. 1 fol. 95^v.

Drucke: Carafa, Epist. III 385; Conc. coll. reg. XXIV 144; Labbe-Cossart, Conc. IX 89; Hardouin, Acta conc. VI 39; Mansi, Coll. XVII 92; Migne, PL CXXVI 786; Bouquet-Delisle, Recueil IX 173; MG Epist. VII 102 n. 110.

Reg.: J 2412; JE 3205; MMFH III 185 n. 70.

Lit.: Gregorovius, Gesch. Rom I 558; Dümmler, Ostfränk. Reich III² 89f.; Lapôtre, Jean VIII 346f. (ND 412f.) Anm. 4; Poupardin, Provence 91; Hartmann, Gesch. Italiens III,2 60f.; Seemann, Boso 52-56; Eichmann, Kaiserkrönung I 55f.; Pochettino, L'imperatrice Angelberga 126; Mohr, Boso von Vienne 152f.; Boehm, Rechtsformen 43; Gorla, L'arcivescovo Ansperto 71f., 77; Monticolo, Fränk. Fürstentitel 251; Fried, Boso von Vienne 193-208; MacLean, Response 41f.; Arnold, Johannes 101, 105f.; Scholz, Politik 232f.

Commentary

Der an König Karl III. adressierte Brief ist nur in den beiden Registerabschriften überliefert, vgl. zu diesen Caspar, Register Johanns 85-99 und Lohrmann, Register Johannes 5-156. Bereits in einem im Mai 878 verfaßten Schreiben (n. 336) hatte Papst Johannes VIII. Angilberga anvertraut, ihren Schwiegersohn Boso und ihre Tochter Ermengard zu einer höheren Stellung befördern zu wollen. Diese Ankündigung scheint die spätere Adoption Bosos vorwegzunehmen. Die Worte ... ut ille in mundanis discursibus, nos libere in his, quę ad Deum pertinent, vacare valeamus sind wohl als ein an Boso ergangener Auftrag zu deuten, die römische Kirche zu beschützen, wobei Fried 198 betont, daß der Graf dies im Auftrag Ludwigs des Stammlers tun sollte. Die ältere Forschung folgerte oft aus Johannes' Nähe zu Boso, daß dieser der Kaiserkandidat des Papstes wäre, doch Fried hat dies mit Hinweis auf die Bevorzugung Ludwigs des Stammlers zurückgewiesen, zur Forschungsdiskussion vgl. ibid., bes. 193f. Anm. 3 und 196 Anm. 15. Zu beachten ist diesbezüglich Johannes' Hinweis, er habe Boso auf Rat des Königs adoptiert. Die Förderung des Grafen durch Ludwig den Stammler hängt vermutlich mit der Heirat des Königssohns Karlmann (II.) mit Bosos Tochter zusammen, vgl. Ann. Bertiniani a. 878 (Grat 229). Laut Brunner ist die Nennung Bosos als gloriosus princeps für die Zeit nach seiner Adoption bezeichnend. Zu Boso vgl. allgemein n. 341. J und Dümmler haben den Brief auf September–Oktober 878 datiert, doch ist mit Ewald (JE: 878 November) und Caspar der Brief eher in die Nähe der im Register vorausgehenden Schreiben (n. 454 und n. 464) zu legen, da in diesen auf ähnliche Weise rückblickend über die Reise des Papstes ins Frankenreich berichtet wird, vgl. MG Epist. VII 102 Anm. 1 und Caspar, Register Johanns 138. Zur mit dem Data ut supra verbundenen Problematik vgl. Caspar 127-132 und Lohrmann, Register Johannes 178f.