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RI I Karolinger 715-918 (926/962) - RI I,4,3

Displaying record 103 of 727.

Papst Johannes VIII. (1) weist (den König der Bulgaren) Michael (Micaheli) darauf hin, dem Schreiben (sentencia) seines Vorgängers (Papst Nikolaus I.) (Böhmer-Herbers n. 822) zufolge stehe der Apostel Petrus vor allem seinem Sitz (Rom) vor, erinnert in diesem Zusammenhang an die bindenden und lösenden Urteilssprüche (ligacionis aut absolucionis sentencias) des Papstes, an die Nichtanerkennung des (Patriarchen) Photios und die Wiedereinsetzung des Ignatios in seine Rechte – denen sich später alle Patriarchate angeschlossen hätten – sowie an die Aufhebung des gegen Ignatios gesprochenen Urteils (durch Nikolaus I.) (Böhmer-Herbers n. 616) mit dem Vorbehalt, er werde erneut verurteilt, sollte er die Rechte des Apostolischen Stuhls in Bulgarien berühren – was selbst Photios nicht gewagt habe –, stellt heraus, der Apostolische Stuhl werde die von den Griechen zu den Bulgaren gesandten Männer nicht als Bischöfe anerkennen, sondern er bestimme (disponit), sie und diejenigen, die sie schicken, bei hartnäckigem Verhalten mit dem Anathem zu belegen, und (2) betont, Michael sei nicht katholisch, sondern ein Schismatiker, wenn er die Sakramente von Exkommunizierten empfange, da dies Götzendienst sei.

Incipit:
[S]i ergo super apostoli Petri ... (Si enim ab his, quos ...)

Archival History/Literature

Orig.: –.

Kop.: –.

Insert: Coll. Brit. (Ende 11./Anf. 12. Jh., London Brit. Lib.: Ms. add. 8873 fol. 129r-129v); Ivo von Chartres, Decretum XIV 36 (Migne, PL CLXI 834) (nur [2]); Ivo von Chartres (?), Panormia V 105 (Migne, PL CLXI 1234) (nur [2]); Coll. der Bibl. de l'Arsenal 713 (12. Jh., Paris Bibl. de l'Arsenal: Ms. 713 fol. 147v) (nur [2]); Coll. Caesaraugustana (12. Jh., Paris Bibl. nat.: Ms. lat. 3876 fol. 106r; 12. Jh., Barcelona Arch. Cor. Aragón: S. Cugat 63 fol. 171v) (nur [2]); Coll. X partium (12. Jh., Florenz Bibl. naz. Centr. Conv. Soppr.: Ms. D. II. 1476 fol. 142r) (nur [2]); Anonymus Zwetlensis, Hist. Rom. Pont. (Migne, PL CCXIII 1023) (nur [2]).

Drucke: Conc. coll. reg. XXIV 357 (nur [2]); Labbe-Cossart, Conc. IX 220 (nur [2]); Hardouin, Acta conc. VI 104; Mansi, Conc. coll. XVII 225; Migne, PL CXXVI 959 (nur [2]); Miklošić-Rački, Novo nadjeni spomenici 216 (nur [1]); MG Epist. VII 294f. n. 37; Fontes historiae Bulgaricae VII 144f.; Acta Romanorum Pontificum 711 n. 340.

Reg.: Ewald, Brit. Sammlung 308 n. 34; JE 2996.

Lit.: Dvorník, Légendes 282; Dvorník, Photian Schism 101, 156, 212f.; Stephanou, Querelle photienne 276f.; Dvorník, Light of Recent Research 25 Anm. 89; Stiernon, Konstantinopel IV 193; Arnaldi, Chiesa romana 137-139, 144; Döpmann, Unterschiedliche Interessen 413; Gemeinhardt, Filioque-Kontroverse 179, 247; Scholz, Politik 233.

Commentary

Der Papstbrief ist lediglich in den erwähnten Kirchenrechtsammlungen sowie im Papstkatalog des Anonymus Zwetlensis überliefert; den ersten ausführlichen Teil kennen wir ausschließlich aus der Brit. Sammlung. Vgl. zu dieser Kanonessammlung und ihrer Entstehungszeit Herbers, Leo 63-72, Kéry, Canonical collections 237f., Jasper, Beginning 128 und Fowler-Magerl, Clavis Canonum 184-187. Die Hs. Paris Bibl. de l'Arsenal: Ms. 713 stammt in diesem Teil aus dem 2. Viertel des 12. Jh., vgl. Fowler-Magerl 192f. Zur Coll. Caesaraugustana und ihrer Entstehungszeit vgl. Kéry 260-262 und Fowler-Magerl 239-244. Drei Versionen sind bei der zuletzt genannten Sammlung zu unterscheiden, die durch die Handschriften Paris, Bibl. nat., Ms. lat. 3875, Paris, Bibl. nat., Ms. lat. 3876 und Barcelona, Archivo de la Corona de Aragón, San Cugat 63 repräsentiert werden und nach 1120 (erste Fassung), 1143-1144 (zweite Fassung) und kurz nach 1143 (dritte Fassung) datieren. Das Fragment fehlt in der Leithandschrift der ersten Fassung. Zur Coll. X partium in der Hs. Florenz, Bibl. naz. Centr. Conv. Soppr. Ms. D. II. 1476 und weiteren Handschriften vgl. Kéry 263f. und Fowler-Magerl 209-214. Das Schreiben enthält ein Zitat (c. 106) aus den Responsa ad consulta Bulgarorum (Böhmer-Herbers n. 822), die Papst Nikolaus I. König Michael 866 zugesandt hatte. Ignatios dankte 858 ab und wurde im selben Jahr von einem Konzil verurteilt; Photios übernahm sein Amt, vgl. Böhmer-Herbers n. 526. Papst Nikolaus I. wurde erst nachträglich von der Verurteilung in Kenntnis gesetzt; zu den Umständen vgl. Stephanou, Querelle photienne 270-272. Auf einer römischen Synode (863) nahm Nikolaus für Ignatios und gegen Photios Stellung, vgl. Böhmer-Herbers n. 616. Ignatios kam 867 erneut – bis zu seinem Tod 877 – auf den Patriarchenstuhl. Die letzten Jahre des restituierten Patriarchen waren von einem wachsenden Gegensatz zu Rom geprägt. Grund hierfür war seine Einflußnahme in Bulgarien. Die Anspielung auf die Aufhebung des Urteils sowie die vom Papst ausgesprochene Drohung, eine Verletzung päpstlicher Rechte in Bulgarien würde eine erneute Verurteilung des Patriarchen nach sich ziehen, lassen kaum auf bereits stattgefundene Konzessionen seitens der griechischen Kirche schließen, anders Dvorník, Light of Recent Research 25 Anm. 89. Entgegen Johannes' Behauptung entwickelte sich die Bulgarenfrage erst nach der Synode von Konstantinopel 869/870 zur Streitfrage zwischen dem Apostolischen Stuhl und dem Patriarchat vom Konstantinopel, vgl. Stiernon, Konstantinopel IV 190-194. Vgl. auch einen früheren Brief Johannes' VIII. (n. 50), in dem er das Anathem für Ignatios und die griechischen Priester bei einem Eingreifen in Bulgarien in Aussicht stellt. Der vorliegende Brief weist im Gegensatz zu diesem einen deutlich verschärften Tonfall auf; Johannes VIII. setzt sich hier auch von seinen beiden Vorgängern ab, indem er nicht mehr an der bedingungslosen Anerkennung des Ignatios festhält. Demnach ist das Schreiben wohl etwas später als n. 50 zu datieren (zur Skepsis gegenüber der Datierung Ewalds vgl. n. 13); es dürfte aufgrund der inhaltlichen Parallelen zudem gleichzeitig mit n. 102 ergangen sein.

Nachträge

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Cite as:

RI I,4,3 n. 103, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/a9f595ce-9bd1-440b-8ec9-b9b64a4e170b
(Accessed on 28.03.2024).