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RI I Karolinger 715-918 (926/962) - RI I,3,4

Displaying record 34 of 571.

Karl, Hlotharii quondam incliti et augusti filius, restituiert (restituimus atque reddidimus) der (erzbischöflichen) Kirche von Vienne unter Erzbischof Agilmar, deren Besitz nach dem Bericht des Grafen Gerhard (von Vienne) in der Vergangenheit durch Entfremdungen und Verleihungen an Laien Einbuße erlitten hatte (quaedam villae seu ecclesiae prisco iam tempore mundiali praeveniente cupiditate subtractae fuerint) – so hatte unter anderem Kaiser Lothar (I.) dem Grafen Gerhard in pago Viennensi (Vienne) seu in comitatu Tolvionensi (Tullins) [die Villa Tollianum (Tullins) und in comitatu Viennensi] die Villa Giniciacum (Génissieux) und die Kirche S. Marcelli martyris (Saint-Marcel) außerhalb der Mauern von Vienne zwischen den Kastellen Heumedium (Mont Pipet) und Crappum (Mont Saint-Just) ad beneficium übertragen – auf Bitten des genannten Grafen und des Erzbischofs Remigius von Lyon die genannten Villae, nämlich Tollianum (Tullins) in pago Viennensi in comitatu Tollianensi sowie Giniciacum in comitatu Viennensi mit der Kirche S. Marcelli martyris, und verleiht dem genannten Erzbischof Agilmar, seinen Nachfolgern und jedwedem advocatus et rector des Erzbistums die freie Verfügungsgewalt (liberam in omnibus habeant ... potestatem) über den restituierten Besitz. – Deidonum notarius advicem Heicardi. – M. (SI D).

Originaldatierung:
Ohne Datierung.
Incipit:
Si necessitates
Empfänger:
Kirche von Vienne unter Erzbischof Agilmar

Archival History/Literature

Kopien: Paris, BnF, Coll. Baluze 75, fol. 361v – 363r, Abschrift 17. Jh. (mit Korrekturen von Baluze), aus dem verlorenen Chartular (Ende 12. Jh.) des Domkapitels von Vienne fol. 74v n. 189 (E); ebd., Ms. lat. 5214, p. 45, 17. Jh., gleichfalls aus dem verlorenen Chartular (F); ebd., Ms. lat. 11 897, fol. 113r, 17. Jh., wie F (G); Sion/Sitten, Kantonsarchiv, Pierre de De Rivaz, Diplomatique de Bourgogne, vol. I, n. 12 p. 75 – 76, Kopie Ende 18. Jh., wie F (H).

Drucke: Baluze, Capitularia,1 1677, Nr. 81 Sp. 1468 – 1469 = 3 1780, Nr. 81 Sp. 1468 – 1469 (ND Mansi, Collectio nova,2 XVIII B), wohl aus E = Mansi, Collectio nova,1 XVIII, Nr. 81 Sp. 972 = Bouquet, Recueil 8, Nr. 2 S. 397; Eccardus, Origines familiae Habsburgo-Austriacae, Nr. 15 Sp. 135 – 138; Prou-Poupardin, Recueil, S. 10 – 12 Nr. 5.

Regg.: Pierre de De Rivaz, Diplomatique de Bourgogne, vol. I n. 12, ed. Chevalier, S. 3; Jean-Baptiste Moulinet, Vérification et description du Cartulaire du chapitre de Saint-Maurice de Vienne, 1771, mit Hinweis auf das Siegel Karls: „le seing figuré dud. roi“, ed. Chevalier, Description Saint-Maurice, S. 42 Nr. 189 (zu 856/58); Bréquigny, Diplomata, I, S. 250 (zu 858); Chevalier, Regeste Dauphinois, Nr. 705; BM1 1293 = BM2, Nr. 1329, zu 858 (nach Baluze). – Ausführlich erwähnt auch von Charvet, Histoire Vienne, S. 136, 190; Longnon, Girard, S. 254f.

Commentary

Die chronologische Einordnung berücksichtigt das Ableben Agilmars von Vienne spätestens am 6. Juli 860 (Reg. 2527. Ob ein Zusammenhang mit D Prov. 2 – 3 (Regg. 2506 u. 2510) für Vienne besteht, wie dies Mühlbacher (BM2, Nr. 1329) annimmt, ist nicht erwiesen. – Zur Überlieferung und zum Empfänger siehe schon D Prov. 2 – 3 (Regg. 2506 u. 2510). Im vorliegenden Fall konnten schon die Kopisten des 17. Jh. mehrere Passagen im Chartular von Vienne nicht mehr lesen. Eine Lücke in der Narratio – wenn es in der Dispositio heißt: per quos memoratas villas, sicut supradictum est, Tollianum ... necnon etiam ... Giniciacum villam, so muß bereits in der Narratio nicht nur Giniciacum (Génissieux, Dép. Drôme, Arr. Valence, Ct. Romans-sur-Isère-2), sondern auch Tollianum (Tullins, Dép. Isère, Arr. Grenoble) genannt worden sein – ist im Kopfregest sinngemäß ergänzt worden. – Der Notar Deidonum hat schon D Prov. 1 (Reg. 2501 in Eigenregie rekognosziert; weitere Urkunden, in denen er begegnet, sind nicht überliefert. Der in der Funktion eines Kanzleileiters genannte Heicard ist nur hier bezeugt; Mühlbacher2, S. CXI, nimmt eine Verschreibung aus Bertraus an, der als Kanzler Karls mehrfach nachzuweisen ist (D Prov. 3, 6 – 9 = Regg. 2510, 2541, 2530, 2531, 2542. Sicher ist das aber nicht (vgl. unten zu D KdK. † 473); man könnte auch erwägen, D 5 vor D 3 (Reg. 2510) einzuordnen, also anzunehmen, daß Heicard erster Kanzleileiter Karls war; vgl. Prou-Poupardin, Recueil, S. IX. – Protokoll und Eschatokoll sind kanzleigerecht. Die Arenga variiert ein traditionelles Motiv auf individuelle Weise; vgl. Poupardin, ed. cit., S. 130; Hausmann/Gawlik, Arengenverzeichnis, Nr. 3178. Im Kontext hat sich Deidonum in lockerer Form an D Lo.I.82 (843) für denselben Empfänger angelehnt; damals hatte Lothar I. Tullins bereits restituiert, ohne daß dies hier in D 5 erwähnt würde. Diktateigentümlichkeiten, die unser D 5 mit D 1 des Deidonum verbinden, sind nicht erkennbar. Vergleichbares Formular findet sich noch in weiteren zeittypischen Restitutionsurkunden; vgl. bes. DD Lo.I.124 – 126 für Lyon. – Zum Grafen Gerhard von Vienne siehe zuletzt Reg. 2522; zur Sache auch Schilling, BM2, Nr. 570, S. 82. Die hier genannte Grafschaft Tullins ist später nicht mehr bezeugt. Sie scheint nach dem Tod Karls von der Provence im Zuge der Reichsteilung zwischen Ludwig II. von Italien und Lothar II. in der damals wohl neu geschaffenen Grafschaft Sermorens (vgl. D LdJ. 36/Reg. 2600 aufgegangen zu sein; vgl. Schilling, Guido von Vienne, S. 109f. (mit einer Karte S. 723); Ripart, Sermorens, S. 256f., 286 (mit einer Karte). Zum Kloster St-Marcel vgl. Cavard, Vienne la Sainte, S. 132ff.; Descombes, Hagiographie, S. 373f.; Schilling, BM2, Nr. 570, S. 82 Anm. 94. Zur Identifizierung der Kastelle Heumedium und Crappum siehe Cavard, a.a.O., S. 66; Descombes, a.a.O., S. 373. Zu Génissieux, das schon in einer wohl zur Zeit Ados von Vienne (zu diesem siehe bes. Reg. 2600; vgl. auch Reg. 2659, Kommentar) gefälschten Urkunde Childeberts III. begegnet, sowie zu seiner weiteren Geschichte siehe D Merow. †148 (mit der Vorbemerkung); Schilling, BM2, Nr. 570, S. 72, 78, 99. – Nach Chorier (1612 – 1692), Hist. de Dauphiné I1, S. 676; I2, S. 527, der sich auf das nicht erhaltene Nekrolog des Domkapitels stützt (nachgedruckt bei Louis, Girart, S. 54 Anm. 6), wurden der Kirche von Vienne auf Betreiben des Grafen Gerhard und seiner Gemahlin Berta („par leur moyen ou par leur faveur“) damals von königlicher Seite („plusieurs paroisses ... possédées par les roys mesmes“) noch weitere Besitzungen zurückgegeben: „Tollianus, Genitiacus, Perhimius ou Pairanus, Gessanus, Artemonaicus, Triornum, Erbiati et Vallis Limonna “. Zur Identifizierung dieser Orte Girart, a.a.O. Möglicherweise hat es noch weitere verlorene Urkunden Karls von der Provence in dieser Sache gegeben, vielleicht auch eine Charta Gerhards mit Berta; vgl. Schilling, BM2, Nr. 570, S. 82 m. Anm. 95. – Die Rekognition unseres D 5 hat Eingang gefunden in eine Fälschung auf den Namen Karls des Kahlen für die Kirche von Vienne (D KdK. †473), was darauf hindeutet, daß die Lesung „Heicard“ (vgl. oben) hier in D 5 wohl korrekt ist.

Nachträge

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Cite as:

RI I,3,4 n. 2525, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/b5b0c8ed-893a-43a8-ba78-fbd8d2152de2
(Accessed on 28.03.2024).